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Mittwoch
14.01.2004

Von selbst gejagtem Grosswild ernährt der in der Abgeschiedenheit lebende Survival-Experte und Rockgitarrist Ted Nugent seine Familie - und darauf ist der Naturbursche mächtig stolz. In seiner eigenen Reality-Show «Surviving Nugent: The Ted Commandments» soll der Charme der Wälder Michigans - mit all den Wildheiten und Gefahren, die da lauern - auch auf seine Kandidaten wirken. Sieben Stadtmenschen befinden sich derzeit auf Nugents Ranch und versuchen wie ihre Ur-Ur-Väter zu leben. Für ein Preisgeld von gerade mal 50 000 Dollar nehmen sie beinahe alles in Kauf - und das angeblich mit Freude. Bis zu dem Tag, an dem sich ins Kettensägengeheul eine Unmenge Blut mischt: Die Rocklegende Ted Nugent und Erfinder der Show, die im April auf dem US-Kanal VH1 ausgestrahlt werden soll, hat sich verletzt: Ihm steckt eine Kettensäge tief im Bein.

Teilnehmer von Reality-Shows begeben sich oft in Gefahr: Das zeigt nicht nur der Unfall bei den Dreharbeiten in der amerikanischen Wildnis, sondern auch die wachsende Kritik an der RTL-Show «Ich bin ein Star - holt mich hier raus!». Der öffentliche Druck auf die RTL-Show nimmt weiter zu. Mehrere Verbände, Organisationen und Wissenschaftler haben sich am Mittwoch gegen die aus ihrer Sicht unwürdige Behandlung von Mensch und Tier gewandt. Der in Zürich dozierende Psychologe Mario Gmür bezeichnete die Show als «konstruiert-artifiziell, eine hausbackene Urwald-Folterkammer, eine Geisterbahn», wie er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte. «Hier geht es um eine Instrumentalisierung des Menschen für ein dramaturgisches Konzept in der Öffentlichkeit. Die Zuschauer wollen bei der Geburt und Hinrichtung von Helden dabei sein.» Jo Groebel, Generaldirektor des Europäischen Medieninstituts, sprach in der «Bild»-Zeitung von «Methoden, die an Folter erinnern».

Die neun Prominenten, die zwölf Tage für RTL in einem australischen Urwald-Camp verbringen, müssen täglich eine Mutprobe über sich ergehen lassen. Am Dienstagabend wurde TV-Frau Caroline Beil - wegen ihrer Lästereien im Camp auch «Hacke-Beil» genannt - von Straussenvögeln gebissen, zuvor wurde «Superstar» Daniel Küblböck mit Wasserspinnen und Kakerlaken traktiert und Costa Cordalis mit Schlangen. Der Bund gegen Missbrauch der Tiere (bmt) forderte am Mittwoch die Absetzung des Formats, in dem «Tier und Natur ausschliesslich zu Spielzeugen umfunktioniert und für Effekthascherei ausgenutzt werden».

Der Sender wies alle Vorwürfe zurück: «Die Teilnehmer handeln eigenverantwortlich und sind Personen des öffentlichen Lebens, die genau wissen, was sie tun», sagte ein RTL-Sprecher. «Wir quälen niemanden.» Unbestritten ist, dass Menschen wie Caroline Beil, Daniel Küblböck, Costa Cordalis oder Susan Stahnke, Antonia Langsdorf, Mariella Ahrens, Lisa Fitz und Carlo Tränhardt durch ihre tägliche Präsenz vor einem Millionen-Publikum ihren Marktwert deutlich steigern.

Die Show verfolgten am Dienstagabend ab 22.15 Uhr nach Senderangaben 7,18 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 33,3%). Die Konkurrenzsendungen litten deutlich darunter: Die ARD-«Tagesthemen» interessierten um 22.30 Uhr 1,96 Millionen Zuschauer (9,4%), «Menschen bei Maischberger» um 23 Uhr 1,21 Millionen (9,1%), Ulrich Meyers «Akte 04» auf Sat.1 ab 22.15 Uhr Millionen (8,8%), Stefan Raabs «TV Total» Millionen (5,5%) und Johannes B. Kerners ZDF-Talk ab 22.45 Uhr Millionen (10,1%). Siehe auch RTL-Show «Ich bin ein Star» im Quotenrausch