Die Schöngeister, die ich rief, die werd ich nicht mehr los. Wie es den Anschein macht, könnte im Expertenstreit um die Bührle-Stiftung im Zürcher Kunsthaus der Realitätssinn doch noch über den Kunstsinn gestellt werden.
Lukas Gloor, Direktor der Bührle-Stiftung, tritt per Ende Jahr zurück. Seine Arbeit sei getan, die Bilder seien im Zürcher Kunsthaus, sagte Gloor jedenfalls im «SonntagsBlick». Der Mann scheint verärgert. Wegen der von Stadt und Kanton Zürich verlangten externen Untersuchung der umstrittenen Bührle-Sammlung drohte er, die Werke aus dem Zürcher Kunsthaus wieder abzuziehen.
Wenn jetzt die Stadt Zürich dem Kunsthaus diktiere, wie die Sammlung Emil Bührle dem Publikum zu erklären sei, «können wir nicht mehr mitmachen». Gemeint ist die Forderung, dass die Ausstellung im Kunsthaus für das Publikum in einer viel mehr angemessenen Form «kontextualisiert» werden soll.
Der Vorwurf: Raubkunst. Die Sachlage gemäss Ausstellungs-Katalog: «Rund 170 Kunstwerke der privaten Stiftung Sammlung E. G. Bührle sind im Herbst 2021 als Dauerleihgaben ans Kunsthaus Zürich gekommen. Die Integration der Werke in den Erweiterungsbau wurde 2012 in einer Volksabstimmung befürwortet. Die Sammlung enthält Werke vom Mittelalter bis zur frühen Moderne, im Mittelpunkt steht ein herausragendes Ensemble französischer Malerei des Impressionismus.» So steht es auf der Webseite des Kunsthauses.
Zu schöngeistig formuliert und zu wenig kritisch hinterfragt, wie eine hochkarätige Gruppe von Kunstexpertinnen und Experten Anfang November publik gemacht hat. Auch der Klein Report hat darüber berichtet.
Im November 2020 attestierte eine Studie der Universität Zürich Bührles Waffenexporten an beide Kriegsparteien im Zweiten Weltkrieg und dem Aufbau seiner Kunstsammlung eine enge Verflechtung. Gloor hingegen findet, es dürfe nicht sein, dass die Sammlung zu einer Gedenkstätte für NS-Verfolgung wird, das werde den Bildern nicht gerecht.
Auf Blick TV versucht Patrick Frey, als Herausgeber von fast 300 Kunstbüchern als Kunstexperte vorgestellt, am Sonntag zu erklären, wieso die Gemälde aus der Sammlung Bührle bis jetzt bei der Herkunftsbestimmung so glimpflich weggekommen sind.
Demnach hat sie Emil Bührle (1890 bis 1956) nicht in Nazideutschland direkt gekauft. Die Deals seien über den Kunstmarkt in London gelaufen. Auf welchen Wegen die Raubkunst vorher nach London gekommen sei, ist für die Verantwortlichen der Bührle-Stiftung nicht mehr relevant. Eine falsche Reinwaschung, die dem Kunsthaus in der kommenden Zeit noch einiges an Ärger einbringen könnte.
Hier dürfte bei neuen Untersuchungen auch noch der Begriff «Fluchtgut» dazu kommen. Das sind Werke, die in der Schweiz von geflüchteten Juden veräussert wurden, in Notlagen verkauft werden mussten oder später auf dem internationalen Kunsthandel landeten.
Emil Bührle begann 1936 zu sammeln. Zwischen 1936 und 1945 gelangten rund 150 Werke in die Sammlung. 13 davon wurden nach dem Krieg als Raubkunst identifiziert. Bührle musste sie restituieren. Er erwarb neun davon ein zweites Mal. Aber: «Die Hauptphase seiner Sammlertätigkeit liegt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg», versuchen seine Verteidiger die alten Geschichten unter den Teppich zu wischen.
Auf der Webseite des Kunsthauses freut man sich deshalb vorderhand noch. Mit dem Übergang dieser Sammlung in das Kunsthaus hätte «in der Beziehung Bührles, seiner Familie und der Sammlung zum Kunsthaus und der Stadt Zürich eine neue Phase begonnen».
Jetzt ist noch einmal eine neuere dazugekommen.