Die seit knapp 14 Monaten amtierende Präsidentin der öffentlich-rechtlichen italienischen Rundfunkanstalt RAI, Lucia Annunziata, ist am Dienstag zurückgetreten. Die Starjournalistin, die Oppositionskreisen aus dem Mitte-Links-Sektor nahe steht, protestierte damit gegen den «allmächtigen Einfluss» von Vertrauensmännern der Regierung Berlusconi auf die RAI. Politiker der Regierung hatten mehrfach den Rücktritt von Annunziata gefordert, die als politisch linksgerichtete Journalistin gilt.
Annunziata reichte ihren Rücktritt ein, nachdem der Aufsichtsrat der TV-Anstalt mehrere regierungsnahe Manager für die Leitung einiger Tochtergesellschaften der RAI vorgeschlagen hatte. «Die ganze Fernsehanstalt ist in den Händen einiger weniger Vertrauter Berlusconis», protestierte die 53-jährige Journalistin. Seit Monaten sind die Beziehungen zwischen Annunziata und dem regierungsfreundlichen Generaldirektor Flavio Cattaneo gespannt. Die RAI-Präsidentin hatte Cattaneo öfters beschuldigt, die Einflussnahme der Regierung auf die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt nicht in Schranken zu halten.
Vor einigen Wochen hatte Annunziata scharf gegen die häufigen Fernsehauftritte Berlusconis protestiert. «Berlusconi ist überall im Fernsehen zu sehen. Er hat die Grenzen des Anstands überschritten», so Annunziata. Kaum ein Tag vergehe, ohne dass der TV-Tycoon im Fernsehen auftrete oder im Radio zu hören sei. Mittlerweile habe er aber auch die drei RAI-Kanäle derart fest im Griff, dass dort praktisch nichts mehr gegen seinen Willen läuft, bemängeln auch Oppositionspolitiker seit Monaten. «Der Regierungschef übt ständig Druck auf die RAI aus. Er greift selbst zum Telefonhörer, um Programme und Inhalte zu beeinflussen», empörte sich die RAI-Präsidentin kürzlich.
Ganz allein steht Annunziata im «Koloss» RAI, der fast 40 000 Menschen Arbeit bietet, nicht da. Der Unmut der Journalisten nimmt ständig zu: Die bekannteste Nachrichtenmoderatorin der RAI, die Südtirolerin Lilli Gruber, reichte vergangene Woche ihre Demission ein, da sie als Kandidatin des Mitte-Links-Bündnisses Ulivo an den Europawahlen im Juni teilnehmen wird. In einem öffentlichen Brief attackierte Gruber die regierungsfreundliche Berichterstattung ihres Kanals an, der von einem ehemaligen Abgeordneten von Berlusconis Forza Italia geleitet wird. Am 3. Februar 2004 - RAI-Chefin: Berlusconi mischt sich ins Programm ein, am 18. März 2003: Lucia Annunziata neue RAI-Chefin. Alles zur RAI im Archiv.
Dienstag
04.05.2004