Der grösste Medienvermarktungskonzern der Schweiz, die Publigroupe, hat nach den Beteiligungen an Cinecom und The Guide Company auch Appetit auf Radiovermarktung bekommen. In einem am Wochenende erschienenen Interview mit der Medienzeitschrift «Klartext» sagte CEO Hans-Peter Rohner: «Durch Cinecom haben wir neu die Kompetenz Kino- und Fernsehvermarktung im Haus; da fehlt noch Radio. Da wäre die Radiovermarktung ein logischer Schritt.» Die jüngsten neu erworbenen Beteiligungen begründete Rohner ferner mit dem Handlungsbedarf bei Medienunternehmen, den Angebotsgestaltungsbereich mit Innovationen zu alimentieren, um die junge Generation zu gewinnen. Wörtlich sagte er: «Ich stelle mir vor, dass ich in fünf oder zehn Jahren mit einem Content-Lieferanten einen Multimedia-Vertrag habe und über SMS, Internet und gedruckte Medien jede Form von News beziehe und am Schluss eine Abrechnung erhalte.»
Des Weiteren ergänzte Rohner, dass nach den Verlusten in den Jahren 2001 und 2002 und dem Reingewinn von 58 Mio. Franken im vergangenen Jahr die Investition Cinecom «aus den laufenden Mitteln» finanziert worden sei. Die Aussichten auf dem Werbemarkt beurteilte er fürs zweite Semester «leicht positiv», obschon «die Lage wie auch in der allgemeinen Wirtschaft nervös und sehr fragil ist». Was die eigene Strategie betrifft, will Publigroupe den derzeit auf 20% gesunkenen Auslandanteil «wieder deutlich steigern». Als strategischen Eckpfeiler bezeichnete er ferner das Directory-Geschäft Telefonverzeichnisse off/online. In diesem Bereich würde Rohner gerne im europäischen Markt Wachstumsmöglichkeiten wahrnehmen, «die der Kraft unserer Gruppe entsprechen. Wir halten die Augen offen.» Den Marktanteil der Publigroupe nannte er bei den gesamten Werbeausgaben mit «knapp 40%, nimmt man nur die Printmedien-Werbeausgaben, haben wir einen Anteil von etwas mehr als 60%».
Rohner wehrte sich in «Klartext» auch gegen eine Internationalisierung der Schweizer Medienlandschaft. «Wir können die elektronische Marktrealität nicht mehr von der Print-Marktrealität trennen. Der Printbereich ist in jeder Beziehung in Schweizer Hand. Im elektronischen Bereich, je nachdem, wie die Debatte ums RTVG ausgeht, könnte es durchaus so kommen, dass nur noch in Zürich, eventuell in Basel und möglicherweise in Bern eigenständige Fernsehveranstalter überhaupt leben können. Alle anderen werden Satellitenstationen von RTL, NRJ etc. Damit hätten wir über den Umweg der elektronischen Medien eine Internationalisierung der Medienszene Schweiz, die früher oder später zwangsläufig auf den Printbereich übergreifen würde.» Der Publigroupe-CEO plädiert darum für starke regionale Multimedia-Häuser, «denen man ohne weiteres Auflagen zumuten kann in Bezug auf die publizistische Unabhängigkeit der einzelnen Gefässe».
Sonntag
22.08.2004