«Leser werden nicht gekauft», lautete eine verblüffende Kernaussage von Walter Walzl, Geschäftsführer der «Kleinen Zeitung» aus dem österreichischen Klagenfurt, der das vielleicht am intensivsten diskutierte Referat an der Publicitas-Verlegertagung vom Mittwoch in Thun hielt. Er legte den Anwesenden dar, dass die zum Styria-Konzern gehörende Zeitung vor einigen Jahren begonnen habe, so ziemlich alle bisher weitherum als felsenfest geltenden Gesetze über Bord zu werfen. So sei man von Gratisgeschenken für Neuabonnenten abgekommen: «Nach einem Jahr ist das mit einem neuen Handy, einem Toaster oder einem Flachbildschirm `gewonnene` Abonnement abgelaufen, und der Kunde geht weiter, aber wir hatten die Kosten», spottete er. Aus diesem Grund gebe es bei der «Kleinen Zeitung» nur noch einen einzigen Rabatt: Wer die Publikation für ein Jahr abonniert, erhält sie drei Monate gratis. Erst wer die Zeitung mehrere Jahre lang abonniert hat, kann im «Vorteilsclub» finanziell profitieren.
Womöglich noch radikaler räumte die «Kleine Zeitung» mit den Rabatten bei den Anzeigen auf. «Der Verkauf kennt die Leistungen der Zeitung meistens nicht», betonte Walter Walzl wiederholt. Aus diesem Grund habe man die von ihm als «Rabattmaschinen» apostrophierten Anzeigenverkäufer alter Schule zu «multimedialen Werbeberatern» umbenannt. In mühsamer Arbeit seien sie sodann so umgeschult worden, dass sie nicht mehr mit dem Preisargument verkauften, sondern Leistungsüberlegungen in den Vordergrund stellten. «Man darf keine Vergleichbarkeit bei den Preisen zulassen», unterstrich Walzl. Online-Angebote im redaktionellen und Inserate-Bereich sowie Online-Auktionen ergänzten diese Massnahmen, und nächstens sollen im Internet gesprochene Nachrichten dazukommen. Erfolg laut Walter Walzl: «Wir steigerten die Auflage in zwei Jahren von 244 000 auf 252 000 Exemplare täglich, und auch die Anzeigenerlöse haben wir überdurchschnittlich gesteigert.» Sein Schlusswort: «Kein Unternehmen hat sich zum Marktführer gespart.»
Mittwoch
14.06.2006