Weil sich eine 38-jährige Redaktorin der Karlsruher Regionalzeitung «Badische Neueste Nachrichten» (BNN) kritisch mit den Arbeitsbedingungen beim Discounter Lidl befasst hatte, ist sie erst fristlos entlassen, kurz darauf aber wieder eingestellt worden. Die Rücknahme der Kündigung und die Wiedereinstellung sei jetzt «nur noch eine Formsache», sagte BNN-Chefredaktor und Herausgeber Klaus Michael Baur laut der Agentur ddp am Montag in Karlsruhe, nachdem die Medien in ganz Deutschland über den Fall berichtet hatten. «Es wird ein Vergleich angestrebt zwischen beiden Seiten», erläuterte Baur. Die überraschende Wendung begründete er damit, dass die seit elf Jahren bei den BNN tätige Journalistin «journalistische Fehler eingeräumt» habe. Nun soll sie lediglich gemahnt werden. Es habe «eine Neubesinnung auf beiden Seiten» gegeben. «Man kann immer dazulernen», sagte Baur.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte die Kündigung vom 5. September als «rechtswidrig» bezeichnet. Der baden-württembergische DJV-Vorsitzende Karl Geibel sprach von einem «ungeheuerlichen Vorgang» und der «Selbstaufgabe der Pressefreiheit durch ein Unternehmen». Die BNN sei «wirtschaftlichem Druck» gefolgt. Lidl ist ein grosser Anzeigenkunde der BNN. In dem Ende August erschienenen Artikel berichtete die Journalistin über ein Lidl-Zentrallager. Dabei schilderte sie unter der Überschrift «Handarbeit bei bis zu minus 24 Grad» die Arbeitsbedingungen im Kühlhaus sowie die hohe Fluktuation unter den Beschäftigten. Die Journalistin gab aber zugleich die bei einer Pressekonferenz gemachten Aussagen des Lidl-Betriebsrats im Zentrallager wieder. Aus Sicht des DJV war der Bericht «kritisch, aber nicht tendenziös».
Dienstag
11.10.2005