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Freitag
02.09.2016

Medien / Publizistik

Medienvielfalt für einmal beim Wort genommen: Haben am Montag die Politiker über den Service public gestritten, schaut der Klein Report am Mittwoch in den Blätterwald der Schweizer Medienlandschaft. Die Bilanz ist ernüchternd, sechs von neun Medien geben den SDA-Einheitsbrei wieder.

Der Bund will der Bedeutung der Medien als «meinungsbildende, vierte Gewalt» Rechnung tragen. Nicht nur der SRG, sondern auch der Regional- und Lokalpresse wird via indirekte Presseförderung finanziell unter die Arme gegriffen. Das Argument lautet immer gleich, nämlich «Medien- und somit Meinungsvielfalt». Eine Presseschau des Klein Reports zu den aktuellen Diskussionen in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVK) zum Service public zeigt: Ziel nur knapp erreicht.

Sechs von neun Medien begnügen sich damit, eine entsprechende Einheitsmeldung der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) praktisch eins zu eins wiederzugeben. So geschehen bei der «Basler Zeitung», die sich nur die Mühe machte, den Artikel mit eigenem Titel und Untertiteln zu versehen.

Andere Medien geben die SDA-Meldung in stark gekürzter Fassung wieder und befriedigen damit höchstens das minimale Informationsbedürfnis ihrer Leserschaft. Zu dieser Sparte gehören «Zürcher Unterländer», «Zürcher Oberländer», «Bieler Tagblatt» oder «Der Landbote» - alles Titel, die von der indirekten Presseförderung profitieren und die zur Meinungsvielfalt beitragen sollen.

Die SDA zitiert in ihrer Meldung Kommissionspräsidentin und SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Dadurch, dass quasi die gesamte Schweizer Medienlandschaft diese «Zitate» übernimmt, wird der Eindruck erweckt, die einzelnen Medien wären tatsächlich am Montag in Bern «vor Ort» gewesen. Dabei lässt sich der Inhalt dieser Zitate vollständig aus der Mitteilung des Sekretariats der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen entnehmen, die am Dienstag publiziert wurde.

Doch offenbar hat sich kaum ein Medium die Mühe gemacht, die Mitteilung des Sekretariats durchzulesen. So fehlt in den Medien quasi durch das Band die Information, dass die Nationalratskommission KVK eine Anhörung mit Vertreterinnen und Vertretern vom Verlegerverband (VSM), SRG, Verband Schweizer Privatradios, Telesuisse und 3+ durchführte - und somit in Abwesenheit der erbosten gewerkschaftlichen Organisationen der Medienschaffenden.

Das aktuelle Beispiel zeigt, dass Medien- und Meinungsvielfalt häufig theoretisch sind, während die Praxis SDA-Einheitsbrei heisst. Somit wird der indirekten staatlichen Presseförderung die argumentative Grundlage entzogen. Höchste Zeit also, nicht nur die Service-public-Debatte, sondern auch diejenige zur Presseförderung neu zu lancieren, findet der Klein Report.

Das Gegenargument, weshalb Online-Medien, anders als Print, keine Subventionen erhalten, lautet übrigens «Unabhängigkeit». Es fragt sich nur, welche Unabhängigkeit wichtiger ist: Unabhängigkeit vom Staat oder Unabhängigkeit von der SDA?