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Mittwoch
29.06.2011

Unter dem Titel «Im Heiligen Land» veröffentlichte die «Neue Zürcher Zeitung» am 24. Dezember 2010 in der Tourismusbeilage «Reisen und Freizeit» einen Reisebericht von Beate Schümann über Bethlehem im Westjordanland. Der Untertitel lautet: «Auch im überwiegend muslimischen Bethlehem wird Weihnachten gefeiert - obwohl niemandem wirklich zum Feiern zumute ist.» Obwohl die NZZ noch über die Weihnachtstage 2010 als Ausgleich einen israelfreundlichen Artikel von Ulrich W. Sahm auf ihrer Website veröffentlichte, beschwerten sich gleich zwei Leserinnen wegen Schümanns allgemein israelkritischen Artikels beim Presserat.

Die Redaktion liess daraufhin die von den Beschwerdeführerinnen monierten Punkte bei einem Auslandredaktor der NZZ, der Anfang 2011 in Bethlehem war, und beim Israel-Korrespondenten der NZZ abklären. Diese bestätigten gemäss NZZ, dass die Darstellung von Beate Schümann grundsätzlich zutreffe. Ein Fehler habe sich aber bei der Zahl der Christen in Bethlehem eingeschlichen, die im Artikel als zu tief angegeben worden war. Diese Ungenauigkeit stellte die NZZ mit der SDA-Meldung «Tausende von Pilgern in Bethlehem» richtig.

Der Presserat lehnte die Beschwerden ab, wie er am Dienstag bekannt gab. Er kam zum Schluss, dass es zur Pressefreiheit und zur Freiheit des Kommentars und der Kritik gehöre, dass Journalistinnen und Journalisten aktuelle gesellschaftliche Zustände, Veränderungen und Entwicklungschancen unterschiedlich beschreiben und bewerten. In Bezug auf die heutige wirtschaftliche Situation in Bethlehem führe dies bei Beate Schümann respektive Ulrich W. Sahm zu diametral entgegengesetzten Einschätzungen. Welche Einschätzung als zutreffend(er) erscheint, muss unter diesen Umständen an dieser Stelle offen bleiben.

Was die Ungenauigkeit betreffend Anteil der Christen in Bethlehem betreffe - in Bethlehem leben rund 33 Prozent Christen, der im Artikel erwähnte Anteil von zwei Prozent bezieht sich auf die gesamte palästinensische Bevölkerung inklusive Gaza -, handle es sich nicht um eine Verletzung von Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». «Gemäss seiner Praxis stellt der Presserat bei Fehlern und Ungenauigkeiten in Medienberichten nur dann eine Verletzung der Wahrheitspflicht fest, wenn sie im Gesamtzusammenhang für das Verständnis der Leserschaft relevant erscheinen», erklärte der Presserat.

Und wenn der Hinweis fehle, der am 24. Dezember 2010 veröffentlichte Artikel sei einige Wochen vor Weihnachten entstanden, sei das keine Unterschlagung von wichtigen Informationen. Eine entsprechende Angabe in Reiseberichten ist gemäss Presserat aber generell zu empfehlen.