Die Berichterstattung über einseitige Medienkonferenzen ist zulässig. Wenn aber schwerwiegende Vorwürfe gegenüber Dritten erhoben werden, ist es nach Ansicht des Presserates unabdingbar, eine Stellungnahme der Betroffenen einzuholen. Der Fall: Im September 1999 hatten die beiden Westschweizer Tageszeitungen «Le Temps» und «Le Nouvelliste» über eine Medienkonferenz in einem bereits Jahre andauernden Familienkonflikt berichtet. Nach dem Tod der Eltern stritten sich die Grossmutter mütterlicherseits und die Aufnahmefamilie des Bruders des verstorbenen Vaters um das Sorgerecht der drei Kinder. Die Grossmutter erhob an der Medienkonferenz gegenüber der anderen Konfliktpartei schwerwiegende Vorwürfe, die in den Medienberichten wiedergegeben wurden. Die von den Beschuldigungen betroffene Partei beschwerte sich darauf beim Schweizer Presserat, dass unbestätigte Meldungen als Fakten wiedergegeben worden seien. Sie sei zudem von den beiden Medien vor der Publikation des Berichts nicht angehört worden. Im vorliegenden Fall hätten die beiden Medien angesichts der Schwere der Beschuldigungen eine Stellungnahme der angegriffenen Partei einholen müssen, schreibt der Presserat am Freitag in einer Medienmitteilung. Zumindest hätten sie die bereits bekannte abweichende Darstellung der Fakten wiedergeben sollen. Der Presserat hiess damit die Beschwerde teilweise gut. (SDA)
Freitag
25.08.2000