Content:

Dienstag
27.04.2004

Medien, die über zweitinstanzliche Gerichtsverfahren berichten, müssen Urteile differenziert darstellen. Vor allem müsse deutlich gemacht werden, in welchen Punkten das Gericht einen Angeschuldigten teilweise freigesprochen habe. Dies schreibt der Schweizer Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme zu einer Beschwerde gegen die Freiburger Zeitung «La Liberté». Diese hatte im Juni 2003 über einen in Frankreich geführten Strafprozess gegen den Vertreter von Hersant Schweiz berichtet. Der Mann hatte gegen das Urteil der ersten Instanz appelliert, die ihn zu sechs Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung und einer Busse von 6000 Euro wegen Begünstigung und Veruntreuung verurteilt hatte. Anfang Juli berichtete die Zeitung über die Verurteilung durch den Appellationshof zu 3000 Euro Busse wegen Begünstigung. Damit nannte die «Liberté» in ihrem Artikel zwar die Reduktion des Strafmasses, erwähnte den Freispruch wegen Veruntreuung aber nicht ausdrücklich. Dies wäre für den Schweizer Presserat allerdings angezeigt gewesen. Er hies die Beschwerde deshalb teilweise gut.

Wegen eines Kooperationsabkommens erschien der gleiche Artikel auch in der Genfer Zeitung «Le Courrier». Für dessen Redaktion sei die Unschärfe nicht offensichtlich erkennbar gewesen, urteilt der Presserat. Übernehme eine Redaktion ganze Beiträge oder Seiten von einer anderen, bleibt sie laut dem Presserat zwar auch für diese Beiträge verantwortlich. Sie dürfe ihre Prüfung aber - wie etwa bei Nachrichtenagenturen - auf offensichtliche Verstösse gegen die Berufsethik beschränken.