Content:

Dienstag
23.11.2004

Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen den Zürcher «Tages-Anzeiger» wegen eines anti-israelischen Inserats teilweise gutgeheissen, weil das Inserat journalistisch nicht begleitet war. Am 22. April dieses Jahres hatte der «Tages-Anzeiger» ein Inserat der Europa Partei Schweiz mit dem Titel «Europa Partei Schweiz und kriminelles Israel» veröffentlicht. Wegen der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern hiess es darin unter anderem: «Mit Ausnahme der Gaskammern wird das ganze Nazi-Instrumentarium gegen eine seit jeher ansässige Bevölkerung eingesetzt.»

Das Jüdische Medienforum Schweiz verlangte umgehend eine «öffentliche Erklärung der Redaktion samt Distanzierung» vom Inserat. Die «Tages-Anzeiger»-Chefredaktion bedauerte in ihrer Antwort zwar die Veröffentlichung des Inserats, das irrtümlicherweise nicht der Redaktion zur Stellungnahme unterbreitet worden sei. Eine öffentliche Distanzierung lehnte sie aber ab. Das Medienforum beschwerte sich daraufhin beim Presserat. Der «Tages-Anzeiger» argumentierte, er habe auf eine redaktionelle Distanzierung und den Abdruck von Leserbriefen verzichtet, um der Sache nicht noch mehr Beachtung zu verschaffen.

Nach Urteil des Presserats fällt der Entscheid über den Abdruck von Inseraten in die Zuständigkeit der Verlage. Bei politischen Inseraten sollte aber die Redaktionen zumindest angehört werden. Unabdingbar sei eine redaktionelle Stellungnahme bei offensichtlich diffamierenden und/oder menschenverachtenden Inseraten. So hätte sich die Zeitung vom diffamierenden Vorwurf, Israel habe mit Ausnahme der Gaskammern das gesamte Naziinstrumentarium angewendet, redaktionell distanzieren müssen. Auch zur Wertung des Staates Israel als «kriminell» wäre eine redaktionelle Stellungnahme zumindest erwünscht gewesen. «Das Inserat hätte journalistisch kurz aufgearbeitet und die bedenklich argumentierende Europa Partei Schweiz eingeordnet werden können», schreibt der Presserat wörtlich. Auch der Verzicht auf kritische Leserbriefe sei unverständlich. - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/21260.htm