Die Tageszeitung «LaRegioneTicino» hat bei der Berichterstattung über ein mutmassliches Steuerdelikt die Anhörungspflicht missachtet. Der Presserat hat die Beschwerde von zwei miteinander verheirateten Luganeser Anwälten deswegen teilweise gutgeheissen. Das Blatt hätte dem Ehepaar Platz für eine Stellungnahme einräumen müssen, zumal die beiden Beschuldigten den Vorwurf eines Steuerdeliktes entschieden von sich wiesen. An der Aufmachung und am Inhalt des am 2. September 2005 veröffentlichten Artikels mit dem Titel «Sie schulden dem Fiskus 17 Millionen» hatte der Presserat jedoch nichts auszusetzen, wie aus seiner am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme hervorgeht.
Allenfalls hätte die Redaktion den Titel mit einem Fragezeichen versehen können, damit der Leser sofort merkt, dass der Bericht sich auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren bezieht. Allerdings gehe dies aus dem Untertitel klar hervor, in dem die Zeitung präzisierte: «Es zeichnet sich das Profil des Steuerdeliktes ab, da den Anwälten De Pietri vorgeworfen wird, Einkünfte und Guthaben aus zehn Jahren nicht angegeben zu haben.» Die Zeitung stützte ihren Bericht auf ein Urteil des Bundesgerichtes.
Die Nennung der Namen der beiden betroffenen Anwälte ist für den Presserat vertretbar, da deren Kanzlei im Tessin bekannt sei. Zudem war der 69-jährige Gianfranco De Pietri von 1968 bis 1992 als Richter am Tessiner Appellationsgericht tätig und somit eine weit herum bekannte Person; Ende 2000 übertrug er seine Anwaltskanzlei seiner Frau Caterina, die er kurz zuvor geheiratet hatte. - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/22270.htm
Dienstag
02.05.2006