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Dienstag
16.12.2008

Der Schweizer Presserat hiess bei seiner letzten Sitzung eine Beschwerde gegen den «Schweizer Bauer» teilweise gut. Die Zeitung hatte es versäumt, bei einem erhobenen schweren Vorwurf darauf hinzuweisen, dass die betroffenen Personen für eine Stellungnahme nicht erreichbar gewesen waren.

Am 25. März 2008 berichtete die Online-Ausgabe des «Schweizer Bauers» unter dem Titel «Im Namen des Tierschutzes geschlachtete Kühe waren hochträchtig» zum wiederholten Male über einen Bauer im bernischen Madiswil, der seine Kühe vernachlässigt hatte. Der Fall war Anfang März publik geworden, nachdem der Berner Tierschutzverantwortliche Ende Februar das Vieh im Stall des Bauers beschlagnahmt hatte. Laut dem «Schweizer Bauer» hatte sich der Tierschutzverantwortliche damals (in der Printausgabe des «Schweizer Bauers» vom 8. März 2008) wie folgt vernehmen lassen: «Die Kühe liessen wir auf ihre Trächtigkeit untersuchen, diejenigen, die nicht trächtig waren, haben wir schlachten lassen.» Verschiedene Personen hätten in der Folge beim «Schweizer Bauer» angerufen und darauf hingewiesen, dass «unter den geschlachteten Tieren aus Madiswil auch trächtige und hochträchtige waren». Tatsächlich seien gemäss einem Auszug aus der Tierverkehrsdatenbank sieben von dreizehn geschlachteten Tieren trächtig gewesen. Derselbe Artikel erschien einen Tag später auch in der Printausgabe.

Am 28. März 2008 veröffentlichte die Online-Ausgabe des «Schweizer Bauers» einen ergänzenden Bericht. Unter dem Titel «Fall Madiswil: Amt bestätigt Schlachtung von trächtigen Kühen» erfuhren die Leser, das Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern (Lanat) habe bestätigt, dass sechs trächtige Kühe geschlachtet wurden. Zurückgewiesen werde hingegen der Vorwurf, darunter hätten sich hochträchtige Tiere befunden. Der Online-Artikel ist mit einer «Richtigstellung» des Lanat vom 27. März
2008 zum Artikel vom 25. bzw. 26. März 2008 verlinkt. Der tags zuvor online veröffentlichte Bericht erschien am 29. März 2008 auch in der Printausgabe. Ebenso wurde die «Richtigstellung» des Lanat abgedruckt, übertitelt mit «Gegendarstellung Kanton Bern».

Am 8. April gelangte das Lanat mit einer Beschwerde gegen den «Schweizer Bauer» an den Presserat. Darin wird insbesondere gerügt, das Lanat sei vor der Publikation des ersten Artikels vom 25. bzw. 26. März 2008 nicht angehört worden. Weiter beanstandete das Lanat, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner Richtigstellung habe der «Schweizer Bauer» die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) und 5 (Berichtigungspflicht) der «Erklärung» verletzt. Die Gegendarstellung vom 29. März enthalte eine kommentierende Einleitung, die Stellungnahme sei ohne Rückfrage gekürzt worden und zudem nicht - wie der Originalartikel - auf der Front veröffentlicht worden.

Die Redaktion des «Schweizer Bauers» wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Redaktion habe sich am 25. März 2008 mehrfach vergeblich um eine Stellungnahme des kantonalen Tierschutzbeauftragten und des Kantonstierarztes bemüht. Bei der Richtigstellung sei sie dem Lanat zudem «über das übliche Mass entgegengekommen». Die Redaktion des «Schweizer Bauers» ist zudem der Meinung, es habe sich nicht um «schwere Vorwürfe» gehandelt.

Hier ist der Presserat anderer Meinung: Mit der Gegenüberstellung des früheren Dementis des kantonalen Tierschutzbeauftragten (es seien nur die nicht trächtigen Kühe geschlachtet worden) zur neu recherchierten Information, es seien im Gegenteil doch mehrere (hoch-)trächtige Kühe im Schlachthof gelandet, werde implizit der Vorwurf erhoben, der Tierschutzverantwortliche habe nicht die Wahrheit gesagt. Dies ist laut dem Schweizer Presserat ein schwerer Vorwurf - auch an die Adresse des Lanat, da der Tierschutzverantwortliche dort angestellt ist.

Die Redaktion des «Schweizer Bauers» macht weiter geltend, sich am 25. März 2008 mehrfach sowohl um eine Stellungnahme des Tierschutzverantwortlichen als auch um eine solche des Kantonstierarztes bemüht zu haben. Allerdings erfährt die Leserschaft nichts davon - im Artikel wird weder erwähnt, dass es mehrere Anfragen gab, noch, dass niemand erreichbar war. Gemäss ständiger Praxis des Presserates zur Anhörungspflicht hätte die Zeitung zumindest auf diese Bemühungen um eine Stellungnahme der Verantwortlichen hinweisen müssen. Entgegen der Auffassung des «Schweizer Bauers» heile zudem eine nachträgliche Anhörung die vorangegangene Verletzung nicht, meint der Presserat, sei doch die Stellungnahme des Betroffenen bzw. die vergeblichen Bemühungen um eine solche im gleichen Medienbericht wiederzugeben wie der schwere Vorwurf.

Aufgrund dieser Überlegungen kommt der Presserat zum Schluss, dass der «Schweizer Bauer» mit der Veröffentlichung des Berichts die Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt hat. Die Zeitung wäre verpflichtet gewesen, zumindest darauf hinzuweisen, dass die Verantwortlichen für eine Stellungnahme nicht erreichbar waren.

Die Beschwerde gegen die Richtigstellung im «Schweizer Bauer» lehnte der Presserat hingegen ab. Bei der «Richtigstellung» des Lanat habe es sich (entgegen der Bezeichnung in der Printausgabe des «Schweizer Bauers» vom 29. März 2008) nicht um eine zivilrechtliche Gegendarstellung gehandelt. Die Redaktion sei dementsprechend weder verpflichtet gewesen, den Text integral abzudrucken, noch sei es ihr untersagt gewesen, ihn zu kommentieren. Aus der berufsethischen Berichtigungspflicht könne schlussendlich keine Pflicht der Journalistinnen und Journalisten abgeleitet werden, dass Berichtigungen, Gegendarstellungen, Präzisierungen oder nachträgliche Stellungnahmen an gleicher Stelle publiziert werden müssen wie der Originalartikel, hier also auf der Frontseite.