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Dienstag
15.02.2005

Nach längeren Recherchegesprächen dürfen die Befragten - vorbehältlich einer anders lautenden Absprache - darauf vertrauen, dass ihnen sämtliche zur Publikation vorgesehenen Aussagen vor der Veröffentlichung zur Autorisierung vorgelegt werden. An diesen Grundsatz erinnert der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Im Mai 2004 hatte die «NZZ am Sonntag» unter dem Titel «Glaube und Garderobe» einen Artikel zur «Kopftuchdebatte» veröffentlicht. Der Bericht formulierte im Lead die These, strenggläubige Muslime verlangten von ihren Frauen auch in der Schweiz, dass sie das Kopftuch tragen oder sich verschleiern. Demgegenüber nähmen die Männer die «strengen Garderobevorschriften des Islams» weniger ernst.

Ein muslimisches Ehepaar, das im Bericht mehrfach zitiert und zudem abgebildet wurde, beschwerte sich daraufhin beim Presserat, die Redaktion habe nicht sämtliche veröffentlichten Zitate zur Autorisierung vorgelegt. Zudem habe die Autorin die geplante Stossrichtung des Artikels verschwiegen und mit dem Bericht den tatsachenwidrigen Eindruck erweckt, die Frau trage das Kopftuch nicht aus eigenem freien Willen. Die «NZZ am Sonntag» wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

Der Presserat kommt in seinen Erwägungen zum Schluss, die Autorin habe das Thema des geplanten Artikels mit den Stichworten «Kopftuch», «Kleidervorschriften des Islam» sowie «geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Anwendung dieser Regeln» genügend offenbart. Hingegen wäre sie berufsethisch verpflichtet gewesen, nicht nur einen Teil, sondern sämtliche zur Publikation vorgesehenen Zitate vor der Publikation zur Autorisierung zu unterbreiten. Schliesslich habe die «NZZ am Sonntag» mit der Kombination von Bild, Bildlegende und Lead des Artikels bei der Leserschaft den unzutreffenden Eindruck erweckt, die Ehefrau trage das Kopftuch, weil ihr Ehemann dies von ihr verlange. - Die Stellungnahme im Wortlaut: www.presserat.ch/21430.htm