Vorwürfe gegen Institutionen aus einer anonymen Quelle dürfen zwar veröffentlicht werden. Sie müssen allerdings überprüft und dürfen nicht als Tatsachen dargestellt werden. Dies hält der Schweizer Presserat fest und heisst damit eine Beschwerde des Polizeiverbands des Kantons Bern gegen den «Blick» teilweise gut. Die Zeitung hatte im Mai 2003 über eine Reihe von strafrechtlich relevanten Vorfällen bei der Berner Kantonspolizei berichtet. Die Vorwürfe waren gemäss «Blick» von Polizisten anonym publik gemacht worden. Die Schlagzeile «Polizei-Skandal - Sie stehlen Drogengeld, klauen Polizeiauto und schänden Leiche» seien jedoch «allzu affirmativ und generalisierend», schreibt der Presserat in seiner am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Sie trage dem Kontext der Vorwürfe und der Relativierung durch die Behörden ungenügend Rechnung. Der Titel suggeriere, dass Polizisten am Werk seien, die solche Dinge regelmässig täten. Die Vergangenheitsform hätte den pauschalen Eindruck von kontinuierlichem kriminellem Verhalten bereits etwas eingeschränkt, und ein Singular hätte die Einschränkung verdeutlicht. Auch den Titel «Weisswäsche misslungen» kritisiert der Presserat.
Hingegen habe der «Blick» die Informationen der anonymen Quellen verwenden dürfen. Vorwürfe des Amtsmissbrauchs seien gerade bei einer Institution wie der Polizei von vorrangigem öffentlichem Interesse, hält der Presserat fest. Da der «Blick» jeden angeblichen Missbrauchsfall der Berner Polizeidirektion und dem Polizeikommandanten vorgelegt und deren Stellungnahmen publiziert habe, könne von einer unzulässigen Veröffentlichung anonymer Anschuldigungen keine Rede sein. Ausserdem seien weder die Menschenwürde der Polizeibeamten noch die Unschuldsvermutung verletzt worden. Auch habe die Zeitung Wörter wie «Polizei-Skandal» verwenden dürfen, weil die faktischen Grundlagen dieser Wertungen für die Leser erkennbar gewesen seien.
Dienstag
03.02.2004