Der Presserat hält in einer Stellungnahme fest, dass die Berufsethik der Journalistinnen und Journalisten in Ausnahmefällen die Nennung des Namens einer gerichtlich verurteilten Person rechtfertige, sich daraus jedoch keine Pflicht zur Namensnennung ableiten lasse. Im Oktober 2004 berichtete die «Basler Zeitung» mehrmals über eine wegen fahrlässiger Tötung strafrechtlich verurteilte Gynäkologin. Die Zeitung verzichtete darauf, den Namen der Ärztin zu nennen, gegen die eine bedingte Gefängnisstrafe von 18 Monaten sowie ein Berufsverbot ausgesprochen worden war. Hingegen veröffentlichte sie die Telefonnummer einer Hotline der Patientenstelle Basel und des Vereins Kinderwunsch, wo sich beunruhigte Patientinnen melden konnten. Im Frühjahr 2005 gelangte der Sekretär des Vereins Kinderwunsch mit einer Beschwerde an den Presserat und machte geltend, die «Basler Zeitung» wäre verpflichtet gewesen, den Namen der Ärztin zu nennen. Die Redaktion wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Der Presserat kommt in seinen am Dienstag veröffentlichten Erwägungen zum Schluss, dass eine Namensnennung in diesem Fall zwar aller Voraussicht nach gerechtfertigt gewesen wäre. Denn es habe starke Indizien gegeben, die auf ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer namentlichen Berichterstattung hindeuteten. Aus der Berechtigung der Nennung des Namens im Einzelfall könne jedoch nicht der Umkehrschluss einer Pflicht zur Namennennung gezogen werden. Selbst wenn der Presserat zum Schluss käme, der Name der Gynäkologin stelle ein wichtiges Informationselement dar, könnte die «Basler Zeitung» nicht gezwungen werden, den Namen abzudrucken. Das öffentliche Interesse habe nicht darin bestanden, den Namen der Ärztin der gesamten Leserschaft der Zeitung bekannt zu machen. Vielmehr habe es genügt, dass interessierte Frauen sich vergewissern konnten, ob die Verurteilte ihre Ärztin war. Und nachdem das Basler Sanitätsdepartment anfangs November 2004 alle Patientinnen der Ärztin schriftlich informierte, sei das schützenswerte öffentliche Interesse an einer Namensnennung ohnehin erloschen. Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/21790.htm
Dienstag
26.07.2005