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Dienstag
07.12.2004

Der Schweizer Presserat ist nicht der Ansicht, dass die journalistische Berufsethik eine formale Trennung zwischen Information und Kommentar verlange. Es genüge, wenn die Leserschaft sonstwie zwischen Fakten und wertenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden könne. Mit dieser Begründung hat der Presserat eine Beschwerde gegen die Zeitung «Le Quotidien jurassien» abgewiesen. Es ging im Mai 2004 anlässlich einer Volksabstimmung um eine Senkung der kantonalen Steuern. Die Autorin einer kritischen Analyse zeigte auf, dass nur kurz nach der geplanten Steuersenkung wegen der Verlagerung von Gesundheitskosten von den Gemeinden auf den Kanton eine «massive» Steuererhöhung geplant sei. Zwar zähle die Regierung darauf, dass die Gemeinden ihre Steuern im gleichen Mass reduzierten, doch sei alles andere als sicher.

Die jurassische Regierung rügte darauf beim Presserat, Fakten und Wertungen seien nicht genügend unterscheidbar. Auch kritisierte sie die Aussagen, die Jurassier hätten bei der Abstimmung «nicht alle Karten in der Hand» und «der Staat kündigt eine Steuersenkung an, bereitet aber schon eine massive Steuererhöhung vor». Der Presserat gelangt in seinen Erwägungen zum Schluss, die Kritik der Autorin sei für die Leserschaft als solche erkennbar gewesen, zumal der Text in einer Rubrik erschienen sei, die regelmässig kommentierende Analysen enthalte. Entgegen der Auffassung der jurassischen Regierung erwecke der Satz «nicht alle Karten in der Hand» nicht den Eindruck, dass die Regierung etwas habe verstecken wollen. Vielmehr beziehe sich dieser offensichtlich auf die geltend gemachte Unsicherheit beim Entscheidungsfindungsprozess in den Gemeinden. - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/21310.htm