Carl Hirschmann hält nicht nur die Schweizer Boulevardpresse nachhaltig auf Trab. Auch der Presserat beschäftigte sich nun mit dem Zürcher Flegel: «Der Journalistenkodex liefert keine Patentrezepte, um unerwünschte Auswüchse der Medienfreiheit wie den Medienhype rund um den `Fall Hirschmann` zu verhindern», schreibt das Pressetribunal am Donnerstag in einer Mitteilung. Der Presserat appelliert an die Medienschaffenden, die berufsethischen Regeln gerade auch bei solchen Medienhypes zu beachten und bei redaktionellen Entscheiden auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die eine Lawine von Medienberichten für die davon Betroffenen hat.
Nach der Verhaftung von Carl Hirschmann, Betreiber des Zürcher Nachtclubs St Germain, überschlugen sich Ende 2009 und Anfang 2010 die Medienberichte während Wochen. Carl Hirschmann wandte sich daraufhin mit einer Beschwerde an den Presserat, die sich vornehmlich gegen die Ringier-Medien richtete. Diese seien nach seiner Wahrnehmung die treibenden Kräfte in der «medialen Exekution» gewesen. Der Presserat beurteilt in seiner Stellungnahme nicht einzelne Medienberichte, sondern beschränkt sich auf Erwägungen zu den wichtigsten Grundsatzfragen.
Der Presserat räumt jedoch ein: Medien dürfen über Boulevardprominente auch in weniger angenehmem Zusammenhang identifizierend berichten, sofern ein Zusammenhang mit dem Grund der Prominenz und dem Gegenstand der Berichterstattung besteht. Ebenso verstosse eine massive Medienberichterstattung über ein hängiges Strafverfahren nicht gegen die Unschuldsvermutung, sofern die einzelnen Berichte darauf hinweisen, dass noch keine rechtkräftige Verurteilung erfolgt ist und sofern eine von der veröffentlichten Meinung unabhängige richterliche Beurteilung nach wie vor gewährleistet erscheint.
Freitag
14.01.2011