Die Pressefreiheit hat einen Sieg errungen: Die Anklagekammer des Zürcher Obergerichts hat am Montag die Redaktionsfreiheit der «NZZ am Sonntag» und deren Verweigerung, die Quelle ihrer Recherche über die tödlich ausgegangene Herztransplantation am Zürcher Kantonsspital preiszugeben, höher eingeschätzt als das Begehren der Staatsanwaltschaft, den Quellenschutz aufzuheben. Dennoch wird die Staatsanwaltschaft das Urteil ans Obergericht weiterziehen.
Die Anklagekammer habe einen «ausgezeichneten Entscheid» gefällt, sagte der Präsident des Presserats, Peter Studer, der SDA. Sie habe eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen. Einbezogen habe sie dabei die einschlägigen Artikel im Schweizerischen Strafgesetzbuch und in der Bundesverfassung sowie die Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er habe eine Entscheidung zu Gunsten des Quellenschutzes erhofft, sagte der Presserats-Präsident. Denn dieser sei «ein ganz, ganz wichtiges Instrument» zur Wahrung der Pressefreiheit.
Bei dem Antrag der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Quellenschutzes ging es um einen Artikel in der «NZZ am Sonntag» vom 12. Juni 2005. Die Zeitung und der Verfasser des Textes, der Journalist Matthias Ninck, haben das Urteil «mit Befriedigung» zur Kenntnis genommen, wie sie in einem Communiqué schreiben. Ihre Überzeugung, dass der Schutz von Informanten nur in absoluten Ausnahmefällen aufgehoben werden darf, sei «unzweideutig bestärkt» worden. Die Zeitung nehme im Übrigen mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Anklagekammer in dem Text keine Belege für eine strafrechtliche Verantwortung von Herzchirurg Marko Turina sehe.
Der Argumentation der Anklagekammer vermag die Staatsanwaltschaft «nicht zu folgen», wie sie in einer Mitteilung schreibt. Unverständlich sei namentlich die Erklärung, es sei kein dringender Tatverdacht gegen Turina festzustellen. Die Staatsanwaltschaft werde gegen den Beschluss rekurrieren, heisst es weiter. Gemäss Anklagekammer hat sie 20 Tage Zeit, den Rekurs beim Obergericht des Kantons Zürich einzureichen. Die Ermittlungen der Hintergründe der tödlichen Herztransplantation vom 20. April 2004 werden weitergeführt.
Montag
18.07.2005