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Mittwoch
11.05.2011

Die Jury des Henri-Nannen-Preises hatte in ihrer Sitzung am 5. Mai den Preis für die beste Reportage des Jahres 2010 an den «Spiegel»-Reporter René Pfister vergeben. Er sollte mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis für ein Porträt des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer gewürdigt werden. Doch Pfisters Freude über den Preis hielt nur kurz an. Da der Journalist zugegeben hatte, dass die Eingangspassage der preisgekrönten Reportage, eine detaillierte Schilderung von Seehofers Umgang mit seiner Modelleisenbahn im Keller seines Ferienhauses - entgegen dem Eindruck der Leser und aller Juroren - nicht auf der eigenen Wahrnehmung des Autors beruhte, revidierte die Jury ihr Urteil am Montag wieder.

«Die Glaubwürdigkeit einer Reportage erfordert aber, dass erkennbar ist, ob Schilderungen durch die eigene Beobachtung des Verfassers zustande gekommen sind oder sich auf eine andere Quelle stützen, die dann benannt werden muss», teilte die Jury mit. «René Pfister wird der Preis aberkannt.» Die Jury betonte zugleich, dass sie keinen Zweifel an der Korrektheit von Pfisters Fakten habe. Von einer «Fälschung» könne keine Rede sein. Zudem bestehe der weitaus grösste Teil der Reportage aus eigenen Beobachtungen Pfisters, die er bei wiederholten Begegnungen mit Seehofer und bei dessen Begleitung auf Reisen gewonnen und zu einem sprachlich wie dramaturgisch gelungenen Text verarbeitet habe.

«Wenn aber eine Reportage als die beste des Jahres ausgezeichnet und damit als vorbildlich hervorgehoben werden soll, muss sie besondere Anforderungen erfüllen. Pfisters Text erfüllt diese Anforderung nach Ansicht der Jurymehrheit nicht», endet die Mitteilung.