Der Zauberlehrling im englischen Internat, der seit Jahren ein internationales jugendliches Lesepublikum begeistert, verliert zusehends seine magische Ausstrahlung - zumindest auf den Buchmarkt. Wenn am Samstag, 16. Juli, der sechste Band von Harry Potters Abenteuer auf Hogwart im englischen Original erscheint, dürften zwar Buchhändler die Kassen wieder vermehrt klingeln hören, doch geht es hier nicht mehr wie früher um Zusatzgeschäfte. «Nur die ersten Bücher haben dem Handel zusätzliche Käufer gebracht», sagte Dieter Schormann, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels an der Wirtschaftspressekonferenz des Verbands in Frankfurt. Ähnlich sieht es Klaus Kämpfe-Burghardt, Chef des Carlsen Verlags, der im Oktober die deutsche Ausgabe von «Harry Potter und der Halbblut-Prinz» herausbringt. «Neue Impulse für den Buchmarkt sind von Harry Potter IV nicht mehr zu erwarten», sagte er der am Freitag erschienenen «Financial Times Deutschland».
Börsenverein-Vorstandsmitglied Jürgen Bach beziffert den Umsatzanteil des Buchs im zweiten Halbjahr auf 0,6% (bei einem Gesamtumsatz von 9,08 Mrd. Euro). Der Verband erwartet demnach eine verkaufte Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren bis Jahresende und einen Umsatz von 60 Mio. Euro. Allerdings seien auch das nicht alles Zusatzumsätze: Anders als früher gingen viele Harry-Potter-Verkäufe jetzt zu Lasten anderer Bücher, sagt Verbandschef Schormann.
Erstmals würden in grossem Stil die Methoden, mit denen internationale Medienkonzerne ihre Filmfiguren vermarkten, im Buchmarkt angewandt. Auch am Hörbuch-Boom hat «Harry Potter» seinen Anteil. Schliesslich stieg die Bedeutung des Internets als Vertriebskanal: 10% der Bücher wurden im Web vermarktet. Überdies wurden erstmals in Deutschland englischsprachige Bücher in grossen Zahlen verkauft. Die Originalausgabe von Band V fand dort 700 000 Käufer. Auch Band VI wird nun vom englischen Verlag Bloomsbury überall angeboten. Da die Preisbindung nur für deutschsprachige Bücher gilt - der Band wird 22,50 Euro kosten - liefern sich die grossen Buchhandelsketten auch hier Preiskämpfe.
Der Preiskampf gefährdet auch in der Schweiz das lukrative Geschäft. Weil die Buchpreise auf englische und US-amerikanische Bücher nicht gebunden sind, bieten etwa Handelsketten wie Buchhaus (Lüthy, Solothurn) per Inserat die Ausgabe für 24,50 Franken an. Für Branchenkenner ist das zwar ein Preis, der kaum kostendeckend ist, doch wollen die grossen Ketten wie Orell Füssli und Thalia das Geschäft nicht den Online-Händlern überlassen und erwarten nach wie vor Zusatzgeschäfte von Kunden in ihren stationären Läden.
Freitag
15.07.2005