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Samstag
21.10.2006

Bei der Eröffnung einer Diskussion über die Revision des Urheberrechts am vergangenen Mittwochabend an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich (HGKZ) verwies die Moderatorin Annette Schindler eingangs auf die Kernfrage «Kontrolle oder Zugang - welche Rechte braucht der Künstler?» und schränkte auch ein, wonach «keiner wissen kann, was Künstler und Künstlerinnen in der Schweiz wirklich wollen». Wolf Ludwig hat sich die Debatte für den Klein Report angehört.

Daniel Vischer, Präsident der nationalrätlichen Rechtskommission, gab einen Überblick über die anstehende Revisionsprozedur, verwies auf notwendige Anpassungen an neue internationale Normen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und EU-Regelungen (Copyright Directive), die auch die Schweiz umsetzen müsse. Vischer erläuterte den aktuellen Stand der parlamentarischen Debatte. Bei einer Anhörung des Ständerats im September gaben sich Lobbyisten ihr übliches Stelldichein. «Die ständerätliche Kommission hat sich aber auf den Bundesrat zubewegt und keine wesentlichen Änderungen vorgeschlagen», so der Parlamentarier. Unterschiedliche Einschätzungen zum Thema gäbe es nicht nur bei den Interessengruppen, sondern auch bei seiner eigenen Partei (Die Grünen), «wo der traditionelle oder ältere Flügel eher die Positionen von Suisseculture teilt, während die Jüngeren sich stärker am Konsumentenschutz orientieren».

HGKZ-Dozent und Mitinitiant von http://www.Kunstfreiheit.ch, Felix Stalder, beurteilt die Urheberschaft «mehr aus praktischer als philosophischer Sicht». Für ihn sei eine «klare Unterscheidung zwischen Urhebern und Urheberinnen sowie Rechteinhabern und -inhaberinnen wichtig», denn «die Kontrolle von Rechten kann bis zur Einschränkung der Redefreiheit führen. Je mehr Rechteinhaber bestimmen können, desto grösser ist deren Kontrolle über das Kulturschaffen.» Stalder wies ferner auf die gängige Praxis im Wissenschaftsbereich hin, «wo ein Forscher auch nicht anfragen und sich absichern muss, ob er Forschungsergebnisse neu interpretieren darf». Zum Problem der technischen Schutzmassnahmen (Digital Rights Management - DRM) führte er aus, dass selbst «beim Kauf einer CD die Privatkopie durch Kopierschutz gefährdet sein könnte». Kritiker sprechen bei DRM daher auch offen von «Digital Restrictions Management» statt von «Digital Rights Management».

Stalder bezweifelt ausserdem, «dass dieses System technischer Schutzmassnahmen praktisch überhaupt handhabbar ist». Es gehe um «ganz konkrete Grundsatzfragen, was Verbraucher damit noch runter- oder hochladen dürfen», wenn die Umgehung von Schutzsystemen zur Kriminalisierung führe. Er befürchtet dadurch «grössere Rechtsunsicherheit sowohl bei Kulturschaffenden wie bei Verbrauchern, wenn sich jene durchsetzen, welche die höchsten Anwaltsbudgets haben». Dem Kulturschaffen sei das jedenfalls «nicht förderlich». Nach seiner Beobachtung «wird die Rechtedurchsetzung dagegen immer aggressiver».

Werner Stauffacher als Vertreter von ProLitteris verteidigte die Rolle der «Verwertungsgesellschaften, für welche die Rechte von Urhebern im Vordergrund stehen». Es gäbe «Grenzen der Weiterverwertung und Interpretation, aber auch Schranken des URG in den Bereichen Bildung, Unterricht und Wissenschaft». Urheberrecht beziehe sich ausserdem auf «einzelne Werke, nicht auf Kunst im Allgemeinen». Auch sei ein «freiwilliger Verzicht eines Künstlers möglich» - was bei ProLitteris machbar, bei anderen Verwertungsgesellschaften jedoch ein Problem sei. Stauffacher befürchtet, «dass mit der Initiative `Kunstfreiheit` das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird», sprich die Interessen der Kulturschaffenden.

Für den Leiter des Zürcher Cabaret Voltaire und Künstler Philipp Meier ist das «Urheberrecht nicht mehr zeitgemäss und gehört in die Mottenkiste». Aus seiner künstlerischen Praxis, kann er «die juristischen Trennungen und Einschränkungen der Nutzung nicht mehr nachvollziehen». Diverse Erfahrungen bei Vorbereitungen von Ausstellungen beispielsweise machten dieses Rechte-Dilemma immer wieder deutlich. «Künstlerische Darstellungsformen wie Ready-made, Installation oder Intervention spielen auch mit Marken und Labels und können durch ihre Verfremdung oder Karikatur jeweils zu Konflikten mit Rechteinhabern führen», so Meier.

Auch die anschliessende Diskussion rankte sich um die Grundpostulate zwischen Freiheit und Vergütung. Daniel Boos vom Verein «Digitale Allmende» kommentierte diesen scheinbaren Grundwiderspruch: «Hier prallen zwei unterschiedliche Systeme mit ihrer jeweiligen Logik aufeinander. Die einen mit der Logik ihres Rechtssystems, die mit der alltäglichen Praxis von Künstlern und Künstlerinnen nicht kompatibel ist. Die ökonomische Logik versucht ausserdem, die rechtliche Logik zu instrumentalisieren.» Die von allen Beteiligten als «notwendig» erachtete Debatte geht damit in die nächste Runde. Siehe auch: «Kunstfreiheit» versus «angemessene Entschädigung» und Erfolgreicher Aufruf gegen Revision des Urheberrechts