Claudio Zanetti soll für die «Basler Zeitung» (BaZ) schreiben - selbst politische Weggefährten von Markus Somm wundern sich. Ein Kommentar von Benjamin Shuler, Redaktor beim Klein Report.
Noch hat die «Basler Zeitung» nicht bestätigt, dass Claudio Zanetti neuer Bundeshaus-Chef der BaZ wird. Fest steht allerdings, dass Zanetti in den kommenden Wochen vom Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA berichten wird. Über seine weitere Tätigkeit bei der BaZ werde man «zu gegebener Zeit» informieren, wie der Verlag in einem Kommuniqué, das auch in der Samstagsausgabe der BaZ abgedruckt wurde, mitteilte.
Als Beobachter reibt man sich verwundert die Augen: Was nur ist in Chefredaktor Markus Somm gefahren? Nachdem bei der «Basler Zeitung» nach Monaten des Aufruhrs endlich wieder etwas Ruhe eingekehrt war, sorgt er mit einem Personalentscheid, in dem sich gleich zwei Reizbilder der Basler Bevölkerung vereinen - Zürich und SVP - für voraussehbare Reaktionen: Ein weiterer hysterischer Newsletter des Aktionsbündnisses «Rettet Basel» wird erwartet, die hämischen Kommentare der lokalen Konkurrenz sind bereits erschienen («TagesWoche»-Edelfeder und Ex-BaZ-Redaktor Philipp Loser verfasste noch am Freitag einen «kleinen Willkommensgruss» an Zanetti) und - weitaus am schmerzhaftesten - eine weitere Welle an Abo-Abbestellungen dürfte über den Aeschenplatz rollen.
Sogar politische Freunde Somms können über die neuste Volte des Chefredaktors nur den Kopf schütteln: Sebastian Frehner, Basler SVP-Nationalrat, der am Freitag mit einem ganzseitigen Porträt in der BaZ geadelt wurde, meinte am gleichen Tag gegenüber «20 Minuten»: «Ich wäre grundsätzlich zurückhaltend bei der Anstellung von Parteiexponenten als Journalisten.»
Über die Motive von Somm kann man nur rätseln. Hält er Zanetti wirklich für ein derart grosses «journalistisches Talent», wie er den immerhin 45-jährigen in der Samstagsausgabe der BaZ lobpreiste? Der Lebenslauf Zanettis scheint ihn kaum für den Posten des Politikchefs bei einer der grössten Schweizer Tageszeitungen zu prädestinieren: Der studierte Jurist war bis 2007 Geschäftsführer der Kantonalzürcher SVP und versucht seitdem weitgehend vergeblich, in der Medienbranche Fuss zu fassen: Zanetti war Produzent und Moderator des «CC Talks» auf Star TV, der bereits wieder abgesetzt wurde, und betreibt den Blog Politik.ch, dessen Beiträge wenig des von Somm attestierten «journalistischen Talents» erkennen lassen. Erfahrungen im Tages- oder Printjournalismus sucht man in Zanettis CV vergeblich.
Die Anstellung eines journalistisch weitgehend unbedarften SVP-Politikers aus Zürich ist Wasser auf die Mühlen all jener, die schon immer behauptet haben, Somm nehme seine Befehle direkt aus Herrliberg entgegen. Interessant dabei ist auch, dass sich Somm laut dem «Tages-Anzeiger» in dieser Frage gegen seinen Chef, Verleger Filippo Leutenegger, durchgesetzt hat. Was wiederum die Frage aufwirft, wer bei der BaZ schlussendlich wirklich das Sagen hat.
Leutenegger, als stramm bürgerlicher FDP-Nationalrat auch nicht gerade des Linksjournalismus verdächtig, hat sich trotz aller politischer Überzeugungen den Blick für die wirtschaftlichen Realitäten bewahrt. Die «Basler Zeitung», im Heimmarkt heftig attackiert von den AZ Medien und der «TagesWoche», kann es sich schlicht nicht leisten, noch mehr Glaubwürdigkeit, Goodwill und Abonnenten einzubüssen.
Die sibyllinische Formulierung in Somms Kommuniqué, über die weitere Verwendung Zanettis bei der «Basler Zeitung» werde zu gegebener Zeit informiert, lässt erahnen, dass das letzte Wort zu Zanettis Zukunft bei der BaZ noch nicht gesprochen wurde. Vielleicht setzt sich Leutenegger gegenüber Somm doch noch durch. Der «Basler Zeitung» wäre es zu wünschen.