Seit Freitag steht ein chinesischer Mitarbeiter der «New York Times», Zhao Yan, in Peking vor Gericht. Zum Prozess vor dem Zweiten Volksgericht der chinesischen Hauptstadt waren am Freitag keine Beobachter zugelassen. Dem Assistenten im Korrespondentenbüro der NYT in Peking werden «Verrat von Staatsgeheimnissen» und Betrug vorgeworfen. Die Anklage steht im Zusammenhang mit einem Artikel in der NYT im September 2004 über den Rückzug des früheren Staats- und Parteichefs Jiang Zemin aus der mächtigen Militärkommission, der zwei Wochen später erfolgte. Zhao Yan drohen mindestens zehn Jahre Haft.
Kritiker werfen den chinesischen Behörden vor, praktisch alle staatlich kontrollierten Informationen als Staatsgeheimnisse klassifizieren zu können, selbst solche, die längst öffentlich bekannt sind. Erst im März war die Anklage gegen Zhao Yan zurückgezogen worden, was Hoffnungen auf eine Freilassung weckte. Doch legte der Staatsanwalt im Mai die Vorwürfe fast gleich lautend wieder vor. Die US-Regierung hat wiederholt die Freilassung von Zhao Yan gefordert.
Dass Zhao Yan schon seit 22 Monaten willkürlich in Haft gehalten werde, sei eine «eklatante Verletzung chinesischen und internationalen Rechts», schrieb die in New York ansässige Menschenrechtsgruppe Human Rights in China (HRiC). Zum Prozessauftakt haben Menschenrechtler die sofortige Freilassung des 44-Jährigen gefordert.
Freitag
16.06.2006