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Sonntag
23.09.2007

Seit vielen Wochen überrollen die SVP und ihre rechtskonservative Leaderfigur im Bundesrat die Schweiz. Zuerst mit schafsdummen Schafs-Plakaten (so Bundespräsidentin Calmy-Rey am Freitag an der Verleger-Tagung in Luzern). Dann mit einer Brand stiftenden und hoch erpresserischen, im kalten Kern staatsstreichartigen Komplott-Kampagne. Strategie und Drehbuch dafür wurden vom «Zentralkomitee» der Partei (Ueli Maurer, Christoph Mörgeli, Toni Brunner u. a. m.) von langer Hand generalstabsmässig vorbereitet - und mit Blick auf die Publikation des viel zitierten GPK-Berichtes auf allen Kanälen punktgenau lanciert.

Eine Analyse von Kenneth Angst (Publizist, Kommunikations- und Politik-Berater) für den Klein Report

Was uns seither - millionenschwer gesponsert, also von anonymen Wirtschaftskreisen fremd-finanziert - in alle Bergtäler hin verfolgt, ist die parteiegoistische Machtdemonstration einer straff geführten Kampfmaschine: Ist rechtsanarchischer Kultur-, Klassen- und Wahlkampf. Ist gnadenlose Zuspitzung auf eine Führerfigur, die sich selber als oppositionelles Mitglied einer Konkordanz- und Kollegialregierung versteht. Ist hoch professionelle, mit eiserner Entschlossenheit umgesetzte Politik- und Medien-Kommunikation. Ist aber auch eine schleichende Penetration der so genannt vierten Gewalt durch eine einzige Partei und einen einzigen Bundesrat. Ist per saldo wahrlich keinerlei Grund für jene Art von devot-klammheimlich-bewundernder Gelassenheit, wie sie an der Spitze vieler Medien leider immer noch vorherrscht.

Ziel: Absolute Mehrheit im Parlament...

«Geheimplan gegen Blocher». «Blocher stärken, SVP wählen»: Worum geht es der SVP mit ihrer Plakat-, Inserat-, Internet-, Zeitungs- und TV-Kampagne? Welche Parteiziele strebt sie damit, sowohl kurz- wie langfristig, letztlich an?

Erstens: Solange politische Regel-, Geltungs- und Gesetzesmacht hierzulande noch via parlamentarische Volkswahlen errungen und legitimiert werden muss, solange kämpft die SVP nicht bloss darum, stärkste Partei zu sein und zu bleiben. Sie will mehr sein als das, was sie ja heute schon ist, nämlich die wählerstärkste Minderheit auf Bundesebene. Denn damit allein kann man ja noch keine Abstimmungen gewinnen, weder im Parlament noch an der Urne. Ausser man bietet, so wie ihre politischen Gegner auch, Hand zu Kompromissen von Fall zu Fall, zu Abstrichen an den eigenen, noch unverhandelten Maximalforderungen. Ausser man koaliert mit anderen und anders denkenden Minderheiten - und wird eben so auch Teilhaber an mehrheitsfähigen Allianzen.

Doch genau das will die SVP nicht: Sie will alles oder nichts. Also verliert sie, um zu gewinnen. Sucht ehrenvolle Niederlagen im einsamen Alleingang, um genau daran zu wachsen. Deshalb betreibt die SVP unter Führung von Christoph Blocher eine konsequent sozialstaatsfeindliche, nationalistische und sozialdarwinistische Fundamentalopposition, also «APO» von rechts - und vermochte genau damit ihren Wähleranteil bei den Nationalratswahlen kontinuierlich zu steigern, von 11 Prozent 1987 auf heute knapp 27 Prozent.

Doch für eine ungeteilte Regel- und Gesetzesmacht reicht auch dies noch lange nicht. Ein erstes Endziel der SVP ist und bleibt deshalb ein Wähleranteil von 51 Prozent. Und eben dieses Endziel rechtfertigt für die SVP nahezu jedes Mittel - politische Kultur, historische Traditionen, Respekt und Toleranz gegenüber Andersdenkenden sowie anderen Minderheiten - hin und her. Logischerweise betreibt sie deshalb unentwegt auch eine Politik der permanenten Verhöhnung und Verunglimpfung von FDP und CVP, also der Parteien der bürgerlichen Mitte. Denn deren Wähler braucht und will die SVP für die avisierte, absolute Mehrheit in der Bundesversammlung. Danach strebt sie deshalb schon seit bald 20 Jahren. Und nächstmals nun am 21. Oktober 2007. Dann wieder vier Jahre später; und so weiter und so fort...

...und Parteidiktat bei Bundesratswahlen

Zweitens: Solange eidgenössische Exekutivmacht, also politisch Weichen stellende Verwaltungs-, Planungs- und Vorlagenmacht hierzulande noch im Rahmen einer Kollegial-, Konkordanz- und Koalitionsregierung errungen und geteilt werden muss, solange wird sich die SVP auch nicht mit bloss zwei Bundesräten begnügen, mit einem exekutiven Sitzanspruch gemäss eigenem Wähleranteil. Vor allem aber wird sich die SVP schwer tun mit der autonomen, in der Verfassung so verankerten Zuständigkeit, Autonomie und Wahlfreiheit der Vereinigten Bundesversammlung für die personelle Zusammensetzung der Landesregierung. Also für die Wahl-, die Wieder- und auch die Abwahl einzelner Regierungsmitglieder. Denn solange dies so ist, kann die SVP nicht alleine diktieren, welcher ihrer Exponenten vom Parlament, also auch von ihren politischen Gegnern, für regierungswürdig genug befunden wird - und so, und nur so, mehrheitsfähig ist oder eben nicht.

Also muss die SVP diese Zuständigkeit, Autonomie und Wahlfreiheit der Bundesversammlung prinzipiell in Frage stellen. Und genau dies ist auch der Hauptzweck ihrer aktuellen Komplott-Kampagne, welche die kommenden Parlamentswahlen zum Plebiszit für oder gegen Blocher
macht - hierin ähnlich wie schon vier Jahre zuvor.

Konkret: Im Dezember 2003 wurde ihr oppositioneller Chefideologe auch noch oppositioneller Bundesrat. Dies bekanntlich nur mit erpresserischer Verhöhnung der politischen Konkordanz. «Blocher oder keiner» lautete das damalige SVP-Parteidiktat wörtlich, und zwar subito - also nicht erst bei der nächsten Vakanz, sondern erstmals durch die geforderte Abwahl eines noch amtierenden Regierungsmitgliedes. Blochers Wahl erfolgte schliesslich nur mit einer hauchdünnen Parlamentsmehrheit. Und sie erfolgte fälschlicher- und naiverweise ganz und gar bedingungslos, also ohne vorgängige Verpflichtung seiner Partei auf ein Minimum an sachpolitischen Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien. Logische und durchaus unrühmliche Folgen davon: Parteipolitische Zersetzung der Landesregierung. Langsame Schwächung ihrer vormaligen Führungs- und Integrationskraft. Kontinuierlich verschärfte Verlagerung von parteiegoistischen Haltungen, von Wahl- und Abstimmungskämpfen auch in den Gesamtbundesrat hinein.

Und nun soll also die am 12. Dezember 2007 fällige Bestätigung Blochers mit denselben, durch und durch unlauteren, staats- und konkordanzfeindlichen Mitteln erneut kaltschnäuzig erzwungen werden. Denn eine knappe Abwahl von B. durch ein wiederum neu gewähltes, also zu rund einem Drittel auch personell erneuertes Parlament, ist ebenso möglich und mindestens so gut begründbar, wie auch eine knappe, primär angstbedingte Wiederwahl. Jedenfalls sind ein paar Parlamentssitze mehr für Rot-Grün, sind ein paar christlich-soziale Stimmen mehr gegen Blocher als vor vier Jahren im Bereich des sehr wohl Denkbaren - und schon wäre Blocher bloss kurze vier Jahre Bundesrat gewesen.

Krasse Missachtung von Volks- und Parlamentsmehrheiten

Hauptziel der aktuellen SVP-Komplott-Kampagne ist deshalb, ein solches, politisch durch und durch lauteres und legitimes Szenario zu verhindern - und wenn nicht, so doch dessen Akzeptanz ausserhalb des Parlamentes vorsorglich zu unterminieren. Eine allfällige, politisch wohl begründbare Abwahl von Blocher - der seiner Partei und «seinem» Parteivolk nach wie vor mehr verpflichtet ist, als dem Gesamtbundesrat, als der ganzen Bevölkerung - wird deshalb von ihm selber und der SVP-Partei jetzt schon, im voraus als intrigantes Ergebnis eines perfiden «Geheimplanes» von «linken und netten» Drahtziehern in Parlament, Verwaltung und Bundesrat uminterpretiert. Und als Reaktion auf eine allfällige Abwahl wird, wie schon vor vier Jahren, eine nochmals verschärfte «Belagerung» und politische Blockierung von Bundesbern angedroht.

Das «ganze» Volk, also auch die Mehrheit der Nicht-SVP-Wähler, würde dann nämlich dazu aufgerufen, gegen die vom selben Volk zuvor gewählte Parlamentsmehrheit aufzustehen. Und damit einer neuen Koalitionsregierung ohne die ausgetretene SVP das gesellschaftliche Vertrauen zu verweigern. Mehr noch: Die Schweiz recht eigentlich unregierbar zu machen. So Bundesrat Blocher unlängst: «Ich werde wieder gewählt. Weil wenn nicht, ist die SVP (ganz) draussen», und dann…

Ein sowohl staats- wie parteipolitisch ungeheuerlicher Vorgang. Eine ganz krasse Missachtung demokratischer Parlaments- und Volksmehrheiten durch einen amtierenden Bundesrat. So diese Mehrheiten denn anders denken und entscheiden, als er und seine Kampfmaschine es wollen. Und Blocher am 12. Dezember also tatsächlich abgewählt werden sollte.

Politische Konkordanz - statt arithmetischem Proporz?

In diesem Fall würde seine Partei wie angekündigt selber den Weg frei machen für eine neu zusammengesetzte Landesregierung ohne SVP und Blocher. Den Weg frei machen für den Übergang zu einer wirklichen, nämlich inhaltlich-politisch definierten Konkordanzregierung - und damit zugleich auch für den endlichen Abschied von einer bloss noch arithmetischen Proporzregierung. Genau darüber entscheiden also letztlich die demokratisch legitimierten Wahlbehörden: zuerst das Volk am 21. Oktober und dann die neue Bundesversammlung am 12. Dezember.