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Mittwoch
15.02.2006

Im Wettbewerb der 56. Berliner Filmfestspiele Berlinale läuft viel Durchschnittliches. Nach zwei Dritteln des Festivals fehlt in den Kritikerbewertungen der Lokalpresse die Maximalwertung fast vollständig. Auch die angekündigte politische Relevanz der Beiträge, die um den Goldenen Bären konkurrieren, bleibt die Ausnahme. Der bisher einzige klare Favorit für einen Preis ist der britische Beitrag «The Road to Guantanamo» von Michael Winterbottom und Mat Whitecross, ein Film, der auf wahren Begebenheiten beruht. Er folgt drei britischen Moslems, die alle um die 20 Jahre alt sind, nach dem 11. September 2001 auf ihrer unfreiwilligen Reise ins US-Gefangenenlager im kubanischen Guantanamo. Ihre Reise und ihre zweijährige Gefangenschaft ist ein einziger Höllentrip. Verhöre und Folterungen, Demütigungen, Schlafentzug und Isolation - sie müssen das ganze Repertoire moderner Foltermethoden über sich ergehen lassen.

Ein politisches Leichtgewicht, dafür emotional umso berührender,
ist «A Prairie Home Companion» des US-Altmeisters Robert Altman. Er zelebriert eine Art Schwanengesang auf die dem Untergang geweihten Radioshows in den USA. Die «Prairie Home Companion» ist eine real existierende wöchentliche Radio-Gesangsshow. Im Film, der vor allem von den Gesangsnummern lebt, spielen sich nicht nur der Moderator, sondern auch andere Mitarbeitende selber. Für die Gesangseinlagen jedoch hat Altman zahlreiche Stars verpflichtet, die auch selber singen, darunter etwa Meryl Streep, Lily Tomlin und Woody Harrelson. Der Film kann als eine Art nostalgische Abschiedshymne des 81-jährigen Regisseurs gesehen werden.

Für Verstörung sorgte der fast dreistündige deutsche Wettbewerbsbeitrag «Der freie Wille» von Matthias Glasner. Jürgen Vogel spielt darin einen Vergewaltiger, der nicht von seinem zerstörerischen Tun lassen kann. In düsteren, fast farblosen Bildern zeigt er die Welt des sozialen Aussenseiters, der nach neun Jahren Gefängnis seine ganze Kraft darauf verwendet, ein normaler Mensch zu werden. Als er sich sein Scheitern eingestehen muss, bringt er sich um. Vogels enorm physische Darstellung des Vergewaltigers hinterlässt einen tiefen Eindruck. Er ist der bisher aussichtsreichste Anwärter auf den Preis als bester Hauptdarsteller. An seiner Seite spielt, ebenso eindrücklich, die Bernerin Sabine Timoteo.