Der deutsche Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in Köln seinem Unmut über das tiefe Niveau der Fernsehsender Luft gemacht. Reich-Ranicki wies die Ehrenauszeichnung für seine Sendung «Das Literarische Quartett» am Samstagabend zurück. «Bei dem vielen Blödsinn, den ich heute Abend gesehen habe, glaube ich nicht, dass ich dazugehöre», zitierte ihn die «Bild am Sonntag». Er nehme diesen Preis nicht an. «Wäre der Preis mit Geld verbunden, hätte ich das Geld zurückgegeben», sagte Reich-Ranicki.
Weil er ein höflicher Mensch sei, habe er die Auszeichnung doch mit nach Hause genommen, heisst es in der Zeitung. Er habe den Preis «symbolisch angenommen». Thomas Gottschalk habe ihm gesagt, dass sich die Intendanten von ARD und ZDF zusammensetzen und für mehr Niveau im Fernsehen sorgen wollten.
Gänzlich unbefleckt von solchen Gedanken scheint Ingrid Deltenre, Fernsehdirektorin des Schweizer Fernsehens. Weil die Quote bei der noch jungen Ärzteserie «Tag und Nacht» unter 20 Prozent gefallen ist, denkt sie schon über deren Ende nach, wie sie gegenüber der Zeitung «Sonntag» erklärte. Definitiv über die Zukunft der Serie entscheiden will sie aber erst nach 12 Folgen.
Diesen strategisch billigen Kommunikationstrick hat Ingrid Deltenre wahrscheinlich von ihrem Lebenspartner Sacha Wigdorovits. Erst mal Stimmung machen, dann leicht drohen und sich selber aber gleich aus der Schusslinie nehmen. Denn die oberste Fernsehverantwortliche denkt laut über einen möglichen Rücktritt nach und beginnt gleich mit der kontrollierten Geschichtsdeutung. Sie brauche noch etwa zwei Jahre, sagte sie gegenüber dem «Sonntag» und versteigt sich dann zur Aussage: «Dann kann ich getrost sagen: Jetzt ist es gut aufgegleist.»
Sonntag
12.10.2008