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Freitag
06.04.2001

Beim russischen Fernsehsender NTW ist unter der streikenden Belegschaft ein offener Streit entbrannt. Der populäre Chefreporter Leonid Parfjonow kündigte seinen Rücktritt an. In einem offenen Brief in der Wirtschaftszeitung «Komersant» vom Samstag wirft Parfjonow seinem Chef Jevgenj Kiseljow vor, es gehe ihm nicht um die Unabhängigkeit des Senders, sondern um seinen eigenen Einfluss auf die Belegschaft. Nach der Übernahme des Fernsehsenders NTW durch den staatlichen Konzern Gasprom sind die Schlichtungsgespräche mit der NTW-Belegschaft am Freitag gescheitert. Der neue Senderchef Alfred Koch betonte nach der Unterredung: «Es war nicht unser Fehler». Koch sagte, die NTW-Mitarbeiter hätten ihm ein Ultimatum gestellt. Dieses beinhalte die Forderung, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine gemeinsame Botschaft zukommen zu lassen. Die Journalisten wollen, dass der Präsident gegen Gerichtsurteile zu Ungunsten von NTW interveniert, sagte der bisherige Generaldirektor und Starjournalist Jewgeni Kisseljow gemäss Interfax. Der im Exil lebende russische Grossindustrielle Boris Beresowski bot den NTW-Redaktoren an, ihr Programm über die Frequenzen seines Moskauer Senders TV-6 auszustrahlen. Beresowski liegt im Clinch mit dem Kreml und hält sich an einem unbekannten Ort im Ausland auf. Ted Turner, Gründer des US-Nachrichtensenders CNN, hat die streikenden Journalisten zur Besonnenheit aufgerufen, während er mit Gasprom über einen Einstieg bei NTW verhandle. Ziel der Verhandlungen sei, dass kein Unternehmen die Mehrheit an NTW halte, sagte ein Sprecher Turners. Es ist deshalb vorgesehen, weitere Investoren dafür zu gewinnen. Turner hatte sich am Mittwoch mit NTW-Gründer Wladimir Gussinski auf eine Übernahme eines Grossteils der Anteile an dessen Media-Most Holding geeinigt, zu der NTW gehört. Um die Unabhängigkeit von NTW zu gewährleisten, müsse auch Gasprom Anteile an ihn abgeben, sagte Turner. Die NTW-Führung kündigte am Samstag an, den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe zu bitten. Nach Angaben von Michail Gorbatschow, sowjetischer Ex-Präsident und bisheriger Vorsitzender des
NTW-Beirates, ist ein Treffen mit Putin für Montag vorgesehen.