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Mittwoch
26.05.2004

In einem bemerkenswerten Leitartikel hinterfragte die «New York Times» ihre eigene Berichterstattung vor und während des Irak-Krieges. «Im Verlauf des letzten Jahres hat diese Zeitung das helle Licht der nachträglichen Einsicht auf die Entscheidungen scheinen lassen, die die Vereinigten Staaten in den Irak geführt haben. Wir haben die Versäumnisse der amerikanischen und alliierten Geheimdienste untersucht, insbesondere in der Frage nach irakischen Massenvernichtungswaffen und möglichen irakischen Verbindungen mit internationalen Terroristen (...) Es ist an der Zeit, dass wir das selbe Licht auch auf uns selbst richten». Mit diesen Sätzen beginnt der Leitartikel «The Times and Iraq» der Mittwochsausgabe der «New York Times».

Man habe sich bei einigen Berichten auf Informanten gestützt, deren Verlässlichkeit inzwischen in Zweifel stehe, heisst es da etwa. So seien Meldungen über Massenvernichtungswaffen in Irak oder Beziehungen der Regierung zu internationalen Terroristen nicht genügend hinterfragt und überprüft worden. Ebenso habe man weit ausführlicher über angebliche Gefahren durch Saddam Hussein berichtet als über Hinweise, dass diese Behauptungen falsch sein könnten. Viele Meldungen basierten auf Angaben von Exil-Irakern, die die USA zum Sturz Saddam Husseins bewegen wollten, wobei deren Motivation nicht genügend hinterfragt worden sei, stellt die Zeitung heute fest und untermalt ihre Selbstkritik mit Quellen, die als glaubwürdig eingestuft wurden, sich später jedoch als betrügerisch entpuppten. Vielen dieser Artikel sei auch nach dem Bekanntwerden der Falschinformation kein klärender Bericht gefolgt, der den Sachverhalt nachträglich ins rechte Licht gerückt hätte.

Gleichzeitig hätten die Redaktoren kritischer im Umgang mit Quellen und Informationen aus der US-Regierung sein sollen. Und zum Schluss verspricht die New Yorker Traditionszeitung: «Wir betrachten die Geschichte der irakischen Waffen und das Muster der Fehlinformation nicht als erledigt. Wir werden weiterhin mit aggressiver Berichterstattung darauf abzielen, die Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.»