Zwei Zeugen und zwei neu aufgetauchte Firmen sorgten diese Woche für Verwirrung im Prozess gegen den ehemaligen Aegis-Media-CEO Aleksander Ruzicka. Er wird verdächtigt, 51,2 Millionen Euro veruntreut zu haben. Die beiden ehemaligen Geschäftsführer der Wiesbadener Werbeagentur ZHP Zoffel, Hoff und Partner haben aus angeblichen Mediaeinkaufsvorteilen, die die Aegis-Tochter Carat für ihre Werbekunden erzielt haben soll, in den Jahren 2002 bis 2006 Rückzahlungen in einer Gesamthöhe von 9 Millionen Euro erhalten. Davon hat ZHP in 38 Fällen in Summe 6,5 Millionen Euro an Firmen wie Camaco, Life2Solutions oder Objektgesellschaft Haideweg 14 (OH 14) gezahlt. Zoffel und Hoff hielten diese Firmen für Tochterunternehmen von Aegis Media.
Die Anklage geht davon aus, dass es sich bei den Rückzahlungen um Gelder handelt, die bei Aegis Media veruntreut worden sind. Zwischen Carat/Aegis und ZHP gab es laut Reinhard Zoffel einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Hiernach wurden alle ZHP-Kunden von Carat/Aegis betreut. ZHP erbringt Kreativleistungen. Carat/Aegis verantwortet Mediaplanung und Mediaeinkauf. Vorteile aus dem Mediaeinkauf, wie beispielsweise durch kapitalisierte Freispots, sollen zwischen Carat/Aegis und ZHP aufgeteilt worden sein. Eine schriftliche Vereinbarung darüber habe es nicht gegeben. Dies sei «gelebt worden», so Zoffel.
Und das ging so: Laut Reinhard Zoffel hat es regelmässige «Abrechnungsgespräche» mit Aleksander Ruzicka gegeben. Bei diesen Treffen habe ihm Ruzicka die Gutschriften aus vermeintlichen Mediaeinkaufsvorteilen, die von Carat/Aegis erzielt worden sein sollen, in Form von Schecks übergeben. Zoffel hingegen brachte die Rechnungen mit, die er von den Firmen Camaco oder Life2Solutions erhalten hatte. Ruzicka soll diese geprüft haben. Dies müsste schnell gegangen sein, stammten die Rechnungen doch von seinen eigenen Firmen. Ruzicka soll dann diese Beträge in Blankoschecks von ZHP eingesetzt haben, welche Zoffel dann unterschrieben hat.
Volker Hoff dazu: «Ich dachte, dass auf diesem Wege Lasten abgerechnet werden, die bei Carat/Aegis angefallen sind». Hoff berief sich nach hartnäckigem Nachfragen durch Richter Jürgen Bonk auf «Erfahrungswerte» und «gefühlte Grössen». Das Vorgehen sei zudem unter kreativen Menschen in der Werbebranche nicht unüblich. Welche Beratungsleistung die OH14 erbracht haben soll, konnten beide Zeugen nicht mehr sagen. Laut Ermittlern soll das Ziel der Objektgesellschaft Haideweg 14 der Bau einer Villa für den damaligen Carat-Geschäftsführer Heinrich Kernebeck gewesen sein - genau ein Haus entfernt vom Haideweg 18, dem damaligen Anwesen von Aleksander Ruzicka.
Reinhard Zoffel zeigte sich zudem verärgert über den heutigen Aegis-Media-CEO Central and Eastern Europe, Andreas Bölte. Dieser habe mit ihm Ende des Jahres 2005 eine weitere Firma gegründet. Die Arbeitsgemeinschaft Public Communication in Berlin. Im Jahr 2006 habe es zwischen Zoffel und Bölte intensive Gespräche über diese Neugründung gegeben. Gründung und Gespräche fanden demnach mehrere Monate nach der Anzeige statt, in der die damaligen Aegis-Finanzchefs Bölte und Ihlefeld auch Reinhard Zoffel verdächtigten, mit Aleksander Ruzicka eine kriminelle Vereinigung zu betreiben und Aegis Media zu schädigen. Obwohl sie bereits in der Strafanzeige vom Juli 2005 einen Schaden von 15 Millionen Euro behaupten, hinderte sie das offenbar nicht, weitere Geschäftsverbindungen mit Reinhard Zoffel einzugehen. Aegis Media und Andreas Bölte wollten diese Aussage weder bestätigen noch dementieren.
Eine weitere Firma rückt bei den Ermittlungen in den Blickpunkt. Über die Connexio GmbH mit Sitz in Wien/Österreich sollen ebenfalls vermeintlich illegale Gelder des Angeklagten Aleksander Ruzicka geflossen sein. Gelder, die von der Barterfirma Emerson FF gekommen sein sollen. Emerson FF soll Scheinrechnungen an Aegis Media gestellt haben und der Mediaagentur ohne deren Wissen Freispots verkauft haben, die ihr ohnehin gehörten. Wie der Wiesbadener Kurier berichtet, soll die Connexio im Gegenzug Beraterverträge mit den angeblichen Scheinfirmen Camaco und Cascade erhalten haben, die Ruzicka und Kernebeck zugerechnet werden. Auch diese Beraterverträge sollen aus Geldern bedient worden sein, die mittels Scheinrechnungen bei Aegis Media abgezweigt wurden. Wovon Aegis Media nichts gewusst haben will.
Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Aegis Media und Connexio gemeinsam an einer Softwarefirma beteiligt waren, die Produkte für Mediaagenturen erstellt. Aegis Media hält diese Beteiligung bis heute. Die Geschäftsführer von Connexio führten gemeinsam mit mehreren Personen von Aegis Media Wien ein weiteres Unternehmen für Events und Dialog Marketing, welches im Jahr 2004 mit Aegis Media Austria verschmolzen ist. Und bis heute wirbt Connexio mit Beratungsleistungen für Aegis Media, mit denen dieselben handelnden Personen offenbar lange nach dem Ausscheiden von Aleksander Ruzicka beauftragt worden sind. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ist bei den Ermittlungen der Geldflüsse auf Connexio gestossen. Deren Rolle müsse noch ermittelt werden, bestätigten die Ermittler auf Nachfrage. Bislang sei jedoch nicht im Ausland ermittelt worden. - Siehe auch: Aegis-Media-CEO Andreas Bölte belastet Aleksander Ruzicka schwer, Aegis-Media-CEO Andreas Bölte sagt im Ruzicka-Prozess aus und Ex-Aegis-Chef Ruzicka bleibt in Haft
Freitag
15.08.2008