Der NDR-Rundfunkrat hat an die Länder und den Bund appelliert, die bewährte Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland gegen eine Aushöhlung durch die EU-Kommission zu verteidigen. «Die EU-Kommission darf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland nicht abschneiden von Entwicklungsmöglichkeiten, die seine Zukunft sichern», so Dagmar Gräfin Kerssenbrock, die Vorsitzende des NDR Rundfunkrats. Die von der Generaldirektion Wettbewerb formulierte «vorläufige Rechtsauffassung» zur Beschwerde kommerzieller Rundfunkanbieter gebe Anlass zu der Befürchtung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk «mit Mitteln des Beihilferechts in seiner Aufgabenerfüllung und seinem Tätigkeitsbereich eingeschränkt werden» solle. Einem Eingriff der Europäischen Kommission in die Rundfunkhoheit der Länder, der dem Geist des Amsterdamer Protokolls über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zuwiderlaufen würde, müsse entschlossen begegnet werden.
Kritisch reagierte das unabhängige Aufsichtsgremium des Norddeutschen Rundfunks auf das Bemühen der Kommission, alle audiovisuellen Dienste dem Anwendungsbereich der so genannten Dienstleistungsrichtlinie zuzuordnen. Eine solche Einordnung werde dem Charakter dieser Dienste als Kulturgut nicht gerecht. Jüngste Äusserungen der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes liessen zudem befürchten, dass das Amsterdamer Protokoll lediglich für herkömmlichen Rundfunk Anwendung finden solle und neue Medien wie Online teilweise ausgeschlossen wären.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei Teil eines Solidarsystems innerhalb des europäischen Gesellschaftsmodells, heisst es weiter. Eine Studie des Hamburger Bredow-Instituts habe die Gefahr einer Einengung des Themenspektrums im Internet und einen damit verbundenen Verlust von gesellschaftlichem Diskurs über relevante Fragen aufgezeigt. «Eine kommerziell betriebene Vielzahl von Angeboten garantiert bekanntlich keine Vielfalt», heisst es in der Entschliessung, die der NDR-Rundfunkrat annahm. Öffentlich-rechtliche Anbieter müssten daher einen angemessenen Zugang zum «Inhalte-Markt» erhalten. Das Gremium wies in diesem Zusammenhang auf die hohe kulturwirtschaftliche Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sender hin, aus der eine grosse Zahl und Vielfalt von Arbeitsplätzen sowie eine Vielzahl von lebendigen Kulturereignissen erwachse.
Donnerstag
23.06.2005