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Montag
21.03.2011

Knapp zwei Jahre lang haben die Eidgenössischen Räte das Preisbindungsgesetz beraten und es am Freitag, 18. März 2011, gegen den Widerstand von SVP und FDP gutgeheissen. Das Gesetz ist ein gesamteidgenössisches Gesetz: Sowohl Westschweizer als auch Tessiner und Deutschschweizer Buchhändler werden ab 1. Januar 2012 ihre Bücher zu festen Ladenpreisen anbieten können. Das ist gut für die kulturelle Landschaft der gesamten Schweiz. Und es ist gut für die Konsumenten von Büchern: weil sie billiger werden.

Carlo Bernasconi*, Chefredaktor des «Schweizer Buchhandels» und ehemaliger Redaktor und Edelfeder des Klein Reports, kommentiert den Sachverhalt für den Klein Report.

Jeder Ökonom würde nun dem Autor dieser Zeilen den Vogel zeigen: Was kartellistisch geregelt wird, zielt auf höhere Gewinne ab zulasten der Konsumenten. Aber weil der Buchmarkt eigene Regeln kennt - und zwar im gesamtdeutschsprachigen Raum -, funktioniert dies eben umgekehrt. Warum? Den festen Ladenpreis, also den Endverkaufspreis, bestimmen in der Regel die Verlage aufgrund ihrer Kalkulationen und der Absatzchancen ihrer Bücher. 80 Prozent dieser Bücher stammen aus Deutschland (wo die Buchproduktion vom Lektorat bis zum Druck erheblich günstiger ist als in der Schweiz) und werden über Distributionszentren in der Schweiz an den Buchhandel verteilt. Künftig kann der deutsche Verlag auch den Schweizer Endverbraucherpreis festsetzen - allerdings nicht zu Fantasiepreisen: Maximale acht Prozent lässt der Preisüberwacher an Überhöhung laut Gesetz zu. Mehr nicht.

Aber: Der Schweizer Buchhandel will damit leben, weil die Sicherheit eines festen Ladenpreises die Möglichkeit gewährt, die Stärken des Einzelhandels gegenüber dem Discounter auszuleben. Dem Preisbindungsgesetz sind nämlich die Onlinebuchhändler wie Books.ch (Orell Füssli), bol.ch (Thalia) oder Ex Libris.ch ebenso unterstellt - und auch Amazon.de. Denn die Preisbindung gilt auch im grenzüberschreitenden Handel. Wobei Amazon.de einen Vorteil ausspielen kann: Die von Bad Hersfeld in die Schweiz gelieferten Bücher werden, exklusive deutsche Mehrwertsteuer von sieben Prozent, geliefert. Aber das gilt ja auch für Käse, Fliesen vom Baumarkt oder Rotkäppchen-Sekt.

Innerhalb des Gesamtvolumens von etwa einer Milliarde Franken Jahresumsatz mit gedruckten Büchern in der Schweiz hat zwar der Onlinehandel in den vergangenen vier Jahren rasant an Wachstum gewonnen und dürfte etwa einen Marktanteil von 15 Prozent besitzen. Diese Anteile sind dem stationären Handel weggenommen worden - aus einem einfachen Grund: Viele Konsumentinnen haben vor dem Einkauf über Preisvergleichswebsites den günstigsten Anbieter ausgewählt und die Bücher dort bestellt. Schweizer Grossfilialisten wie Orell Füssli, Thalia oder die verschwiegene Buchhaus-Gruppe in Solothurn indessen setzten die Ladenpreise in vielen Fällen über den von den Verlagen empfohlenen unverbindlichen Verkaufspreis (UVP) fest. So kam und kommt es vor, dass die Preise im Laden deutlich und im Internet bisweilen noch deutlicher über dem UVP liegen.

Mit dieser Abzocke soll nun Schluss sein zugunsten der Konsumenten: Sie werden überall für das gleiche Buch den gleichen Preis bezahlen und ihre Bücher dort kaufen, wo ihnen nicht nur ein charmanter wie kompetenter Service geboten wird, sondern auch das Wissen um Buchinhalte wichtiges Verkaufsargument ist. Verständlich also, dass die Migros-Tochter Ex Libris, die geschätzte 30 Millionen Franken Umsatz mit Büchern generiert, mit dem neuen Gesetz nicht leben kann und will und gereizt auf den Parlamentsbeschluss reagiert hat. Mit einem Wort: Bücher werden billiger, weil der Preiswirrwarr abgeschafft wird. Es gilt künftig nur noch ein Preis in der Schweiz.

* Carlo Bernasconi ist seit 2004 Chefredaktor der Fachzeitschrift «Schweizer Buchhandel» und seit 26 Jahren Branchenjournalist für Buchhandel- und Verlagswesen in der Schweiz.