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Mittwoch
18.05.2011

Mit 143 000 Gleichgesinnten will SVP-Nationalrätin Natalie Rickli die Radio- und Fernsehgebühren mehr als halbieren. Doch sie macht einen Denkfehler. Dies meint Roger Blum in seinem Gastkommentar für den Klein Report.

Natalie Rickli ist eine clevere Nationalrätin. Und sie ist eine Medienpolitikerin, die nicht nur die Dossiers kennt, sondern auch handelt. Mehr als 143 000 Unterschriften hat sie über die Website www.gebuehrenmonster.ch für ihre Petition gesammelt, mit der sie fordert, die Radio- und Fernsehgebühren von heute 462 auf 200 Franken herabzusetzen. Sie wird darin unterstützt von der SVP, von der Jungen SVP, von der Jungen CVP, von den Jungfreisinnigen, von der Jungen EDU sowie von der Facebook-Aktion Bye Bye Billag. Damit baut sie Druck auf. Ihr Ziel ist ein radikaler Umbau der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Bliebe die Finanzstruktur der SRG so wie bisher, verlöre der nationale Sender fast die Hälfte seiner Einnahmen.

Ist das schlimm? Ohne jeden Zweifel kann diskutiert werden, ob die Programme der SRG zwingend Koch- und Reisesendungen enthalten müssen. Man kann sich fragen, ob die teuren Sportübertragungsrechte alle gerechtfertigt sind. Man kann aufwendige Eigenproduktionen kritisieren. Und es macht gar nichts, wenn die SRG überlegen muss, wie sie auf anderem Weg zu Einnahmen gelangt. Natalie Rickli hat auch recht, wenn sie von der SRG mehr Transparenz fordert. Trotzdem macht die Nationalrätin einen Denkfehler.

Denn die SVP-Parlamentarierin stellt letztlich den Service public infrage. Was heisst Service public in der Schweiz? Erstens Versorgung des ganzen Landes mit Radio und Fernsehen, also auch abgelegener Täler. Zweitens Radio- und Fernsehprogramme in allen Landessprachen, also auch für die Tessiner, die Italienischbündner und die Rätoromanen. Drittens Ausstrahlung von Sendungen, die sich im Markt nicht rechnen, vor allem in den Bereichen Politik, Gesellschaft und Kultur. All das kann nur ein starker Veranstalter.

Würden die Gebühren um mehr als die Hälfte gesenkt und lassen sich keine zusätzlichen Einnahmequellen erschliessen, könnte die SRG ihren Auftrag nur noch beschränkt erfüllen. Und damit wäre sie für das Schweizer Publikum nicht mehr attraktiv. Wer aber würde in die Lücke springen? Vor allem jene ausländischen Veranstalter, die im Schweizer Markt schon stark sind, nämlich ARD, ZDF, RTL, ORF, TF1, RAI oder die Mediaset-Kanäle. Wenn das Publikum sich indes umorientiert und Serien, Sport, Shows, Koch- und Reisesendungen auf ausländischen Kanälen guckt, dann kehrt es nicht extra zur SRG zurück wegen einzelner Politik- und Kultursendungen. Leiden würde just die Vermittlung schweizerischer Politik.

Die Gebühren dienen letztlich einem staatspolitischen Anliegen, nämlich der Förderung dessen, was die Schweiz ausmacht: Mehrsprachigkeit, Föderalismus, direkte Demokratie, eigene Kultur. Das Radio- und Fernsehgesetz erteilt im Artikel 24 der SRG im Prinzip diesen Programmauftrag. Die Gebühren sind der Preis dafür, dass in einem Land, das zu 90 Prozent die Sprachen seiner grösseren Nachbarn spricht, nicht ausschliesslich ausländische Sender verbreitet sind. Insofern sind die Gebühren auch Heimatschutz. Die SVP bezeichnet sich als einzige Partei, die für die Schweiz einsteht. Wenn sie konsequent wäre, dürfte sie an den Radio- und Fernsehgebühren nicht rütteln, jedenfalls nicht so massiv.

Das Anliegen der Petition schadet also letztlich nicht nur der SRG und übrigens auch den privaten schweizerischen Radio- und Fernsehsendern - sie verlören jährlich rund 20 Millionen Franken aus dem Gebührensplitting -, sondern vor allem dem Land. Und das kann kaum die Absicht der profilierten Medienpolitikerin Natalie Rickli sein.