Als veritable Prägeanstalt für eine nächste Generation von Slogans nach «Geiz ist geil» oder «Ich bin doch nicht blöd» hat sich der Wirz-Cocktail am Mittwochabend im Lakeside-Casino Zürichhorn entpuppt. So prägte Konsumentenschützerin Jacqueline Bachmann den Begriff «Fair ist geil», und von Migros-Marketing-Generaldirektor Urs Riedener kam die im Prinzip selbe Aussage in den Worten «Preis nicht um jeden Preis». Die derartigen neo-ethischen oder post-pekuniären Claims entstanden im Rahmen einer angeregten und anregenden Diskussionsrunde zum Thema «Ist der Preis das Mass aller Dinge?» So ganz ist die Antwort Nein zwar nicht mehr ganz neu, aber die vier Panel-Mitglieder schafften es, die Argumente dafür den über 350 Zuhörerinnen und Zuhörern auf überzeugende Weise näher zu bringen.
Das gleichzeitig hochstehende und amüsante Niveau hatte gleich zu Beginn Wirz-Corporate-Geschäftsleiter Urs Binggeli vorgegeben, als er mit wenigen, aber überzeugenden Beispielen den ruinösen Wettbewerb skizzierte, der zur Zeit unter dem Stichwort der «Aldisierung der Gesellschaft» die Preise in den Keller fallen lässt. Nicht nur die Preise, sondern auch Umwelt, soziale und ethische Verhältnisse, ergänzten die beiden bereits genannten Gesprächsteilnehmer sowie Wirtschaftsforschungs-Professorin Renate Schubert und Henkel-Geschäftsführer Rolf Münch. Als ob sie es geprobt hätten, spielten sie sich den Ball gegenseitig zu und machten klar, dass der nächste Trend nach der Schnäppchen-Jagd bereits im Gang ist. Insbesondere Migros-Marketing-Generaldirektor Riedener kündete an, die allein preisorientierte Betrachtungsweise sei bereits Vergangenheit: «Man siehts in den Zeitungen: Es wird weniger über Preise, sondern über Qualität, über Kinderarbeit, Minimallöhne, Arbeitsplätze und volkswirtschaftliche Zusammenhänge des Konsums nachgedacht und geschrieben», sagte er.
In diesem Zusammenhang ist für Urs Riedener das Trendlabel M-Budget bereits nahe daran, ausgereizt zu sein: «Das sind jetzt 3% des Umsatzes, und es werden vielleicht 4 oder 5%, aber das ist es dann auch schon.» Wichtiger sei, dass es in der Schweiz keine Eier aus Käfighaltung mehr gebe, weil sie nicht verkäuflich wären, wogegen in Deutschland noch 50% des Angebots aus solchen Produkten bestehe, nur weil sie einige Cents billiger sind. Ähnlich argumentierten auch SKS-Geschäftsführerin Bachmann und ETH-Professorin Schubert: Gratisfliegen könne man mit gutem Gewissen nicht unterstützen, auch wenn es die Angebote gebe. «Die Leute müssen wissen, dass sie die Suppe in Form von Umweltverschmutzung und ungenügenden Löhnen auszulöffeln haben», formulierte es Henkel-Mann Münch klar und deutlich. Langer Applaus und eifrige Diskussionen anschliessend bei den Cocktails vertieften das Gehörte.
Mittwoch
09.11.2005