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Sonntag
30.09.2007

Auch nach einem Jahr gibt es keine Klärung im Mordfall der Journalistin Anna Politkowskaja. Die bisherige Arbeit des russischen Justizapparats brachte kein Licht ins Dunkel - im Gegenteil. «Die Ermittlungen werden behindert. Der ganze Fall ist ein Durcheinander», schreibt die Zeitung «Nowaja Gaseta», für die Politkowskaja gearbeitet hat. Dabei hatte die Generalstaatsanwaltschaft noch Ende August die «Aufklärung» des Mordes an der regierungskritischen Journalistin vom 7. Oktober 2006 gefeiert.

Doch dann folgte ein selbst für russische Verhältnisse einmaliger Streit zwischen den rivalisierenden Machtapparaten von Polizei, Geheimdienst, Staatsanwaltschaft und Ermittlungskomitee um den weiteren Verlauf des Verfahrens. Beim Rapport vor Kremlchef Wladimir Putin meldete Generalstaatsanwalt Juri Tschaika die Festnahme von zehn Tatverdächtigen. Unter ihnen seien tschetschenische Kriminelle, korrupte Moskauer Polizisten und sogar ein Offizier des Inlandgeheimdienstes FSB, hiess es.

Die Antwort liess nicht lang auf sich warten: Über staatsnahe Medien wurde kolportiert, einer der Polizisten sei gar nicht festgenommen worden. Der Geheimdienstoffizier habe doch nichts mit dem Fall zu tun, und drei Verdächtige habe man mangels Beweisen wieder freigelassen. Sensible Ermittlungserkenntnisse wurden ebenso der Öffentlichkeit zugespielt wie die Nachricht, der Chefermittler sei ausgewechselt worden. Unter Politkowskajas Familienangehörigen, Freunden und Kollegen sehen sich jene bestätigt, die dem Staatsapparat alles zutrauen, nur keine echte Aufklärung.

Der Mord an Politkowskaja galt international als Anschlag gegen demokratische Grundrechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Nach Berichten russischer Medien sind seit dem Zerfall der Sowjetunion in Russland 219 Journalisten unter nicht vollständig geklärten Umständen ums Leben gekommen, davon fünf in diesem Jahr.