Die 2700 Mitarbeitenden des TV-Konzerns ProSiebenSat.1 sehen die Übernahme durch die Springer-Verlag mit Hoffen und Bangen. «Jetzt ist die Katze wenigstens aus dem Sack», sagte ein Betriebsrat zur Nachrichtenagentur DPA in München. Bei einer Übernahme sei immer ein Stellenabbau zu befürchten. Allerdings hätten die Beschäftigten von Deutschlands grösstem TV-Konzern in den vergangenen Jahren schon viel mitgemacht, daher hielten sich die Ängste in Grenzen. «Wir sind schon abgebrüht.» Springer will die Senderkette für insgesamt mehr als 4 Mrd. Euro übernehmen, wie am Freitag bekannt wurde. Vorstandschef Mathias Döpfner hatte sich schon bei der Verkündung bemüht, mögliche Ängste zu zerstreuen. So solle es keine grossen Veränderungen in den Führungsetagen geben. «Wir wären wirklich verrückt, wenn wir an dieser Erfolgsmannschaft etwas verändern würden.»
Der belgische Vorstandschef von ProSiebenSat.1, Guillaume de Posch, wies denn auch auf seine ganz eigene Art auf bereits bestehende Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Unternehmen hin: Die Frauen bei ProSieben und Sat.1 sähen mindestens genauso gut aus wie die in der «Bild»-Zeitung. Auch das Gros der Beschäftigten muss sich gemäss Springer keine Sorgen machen. «Es ist kein Stellenabbau geplant», sagte eine Konzernsprecherin am Sonntag. Dem Verlag gehe es um Wachstums- und nicht um Kostensynergien. Beide Unternehmen seien bereits sehr schlank aufgestellt. Wegfallen könnten lediglich einige Stellen in den Zentralbereichen, zum Beispiel in den Verwaltungs- und Finanzabteilungen. Der grosse Vorteil aus Sicht des Münchner TV-Konzerns ist, dass Springer bisher praktisch keine Fernsehaktivitäten im Portfolio hatte und so weitgehend auf die Expertise von ProSiebenSat.1 angewiesen ist.
Nach turbulenten Jahren hofft der Konzern jetzt auf Ruhe. «Die Springer-Übernahme bringt jedenfalls eine Stabilisierung», heisst es in Unternehmenskreisen. Auch der Betriebsrat zeigt sich vorsichtig optimistisch. «Springer ist ein kalkulierbarer Partner mit solidem finanziellem Background.» Schon deshalb werde es wohl «keine erdbebenartigen Auswüchse» geben. Angesichts des immens hohen Kaufpreises sei aber nicht auszuschliessen, dass Springer doch noch einmal an der Kostenschraube drehe, wenn es wirtschaftlich nicht so gut laufe wie geplant. Als Unternehmen soll ProSiebenSat.1 auf die Axel Springer AG verschmolzen werden. Daher rechnen manche in München damit, dass Teile des Fernsehgeschäfts nach Berlin verlagert werden könnten. «Man befürchtet schon eine Zentralisierung», heisst es in
Betriebsratskreisen. Siehe auch: Axel Springer übernimmt Mehrheit an ProSiebenSat.1
Sonntag
07.08.2005