Ein Seminar zum Thema Netnografie - ein Kürzel aus «Net» und «Ethnographie» - hat sich kürzlich in München mit dieser neuartigen Methode zur Erforschung von Konsumentenneigungen befasst. «Netnografie erobert die Businesswelt», hat dabei Robert V. Kozinets, Professor für Marketing an der Universität Toronto, betont. Denn Konzerne wie American Express, Ebay, Kraft und McDonalds würden diesen Forschungsansatz kaum verwenden, wenn er nutzlos wäre, argumentierte er. Ähnlich auch Stephan Ruppert, bei Beiersdorf als Leiter der Produktentwicklung Lichtschutz für Nivea und Eucerin zuständig, bestätigte, dass er durch Netnografie wertvolle Anregungen erhalte, deren Potenzial er anschliessend mit klassischer Marktforschung untersuchte.
Bei Netnografie geht es um einen Mix aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Ansätzen. Bedeutend für Medien- und Wirtschaftsunternehmen wird die Methode deshalb, weil sie jenseits von Klickraten und Page Impressions zu schlüssigen Erkenntnissen gelangen will. Mit qualitativen Methoden der Soziologie erhalte man viele wertvolle Erkenntnisse aus Social-Media-Portalen wie Communities, Foren und Blogs. Professor Kozinets stellte aber klar, dass man dazu mehr leisten müsse, als aus der Distanz nackte Zahlen zu interpretieren: Vielmehr müsse man dazu in die Welt der Verbraucher eintauchen. Der Referent: «Man muss Teil der Community werden.»
Jörg Blumtritt, Head of Marketing Services & Research der Burda Community Network GmbH, berichtete über erste Projekte seines Hauses: «Mit Netnografie können Themen angegangen werden, die über klassische Marktforschungsmethoden wie Telefoninterviews oder Gruppendiskussionen schwer erforscht werden können - etwa solche, über die Menschen normalerweise nicht besonders bereitwillig Rede und Antwort stehen.» So untersuchte Burda per Netnografie die Einstellung von Männern zu Kosmetik. Blumtritt ist von diesem qualitativen Forschungsansatz überzeugt: «Wir und unsere Werbekunden profitieren von völlig neuen Erkenntnissen, die wir in die Kampagnen- und Mediaplanung einfliessen lassen können.» Dr. Michael Bartl, Vorstand des Veranstalters Hyve AG, München, war deshalb überzeugt: «In Zukunft werden verstärkt netnografische Methoden zum Einsatz kommen, um die Bedürfnisse, Einstellungen, Werte und Motivationen der Konsumenten freizulegen und deren Verhalten wirklichkeitsnah zu ergründen.»
Freitag
13.06.2008