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Montag
05.09.2005

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat im TV-Duell gegen CDU-Chefin Angela Merkel Punkte gewonnen, aber noch nicht die Wahl, denn die Kanzlerkandidatin zeigte sich auf gleicher Augenhöhe. Zu diesem Schluss kamen deutsche Kommunikationsexperten nach dem Streitgespräch, das am Sonntagabend ARD, ZDF, Sat.1 und RTL gemeinsam ausgestrahlt hatten. Insgesamt sahen 20,97 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 59,7%) nach Senderangaben die Redeschlacht zwischen dem Bundeskanzler und seiner Herausforderin zwischen 20.30 und 22.05 Uhr in der ARD, ZDF, RTL und Sat.1. Damit war das Duell die meistgesehene Sendung im deutschen Fernsehen im laufenden Jahr.

Besonders in seinem Schlusswort habe Schröder «mit guten Themen gepunktet», während Merkel «mehrere Eigentore geschossen» habe, sagte der Münchner Kommunikationstrainer Stephan Lermer nach dem Duell der Nachrichtenagentur AFP. Ähnlich äusserte sich auch der Bochumer Kommunikationswissenschaftler Ulrich Sollmann. Es sei Schröder gelungen, «hart an der Sache zu bleiben», aber dennoch direkte Attacken auf Merkel zu vermeiden.

Merkel sei «überraschend sicher eingestiegen», auch habe sie im Minenspiel variiert und «Kompetenz gezeigt», lobte Sollmann. Wenn die CDU-Chefin allerdings «nicht dran war, aber im Bild, sind ihre Gesichtszüge runtergefallen». Merkel sei eine «sachkundige Gesprächspartnerin» gewesen, aber auf eine Firma bezogen habe sie eher wie ein «Vertriebs- oder Finanzvorstand, eine Mächtige aus der zweiten Reihe» gewirkt. Sie habe nicht gewirkt, wie jemand, der «das Zeug hat für diejenige, die am Kopfende sitzt».
Laut Lermer sei der Kanzler zwar gelegentlich «hart an der Grenze zur Arroganz» gewesen, insgesamt habe er aber gewirkt «wie der Fels in der Brandung». Unsicherheiten bei Schröder führte Lermer auf die ungewohnte Auseinandersetzung mit einer Frau zurück.

Merkel habe allein in ihrem Schlusswort drei Fehler gemacht, sagte Lermer weiter. Den Wähler direkt zu Entscheidungen aufzufordern, schrecke eher ab. Die Aussage, im Zweifel sollten sie die Union wählen, sei ein Widerspruch in sich. Der Satz «Ich kann Ihnen nichts versprechen» sei nicht das, was Wähler von einer Kanzlerin erwarteten. Hier habe es ihr offensichtlich an Training gefehlt.

Lermer leitet das Institut für Persönlichkeit und Kommunikation in München. Sollmann organisiert während des Bundestagswahlkampfs unter anderem das Internet-Projekt www.charismakurve.de, das sich interaktiv mit der Ausstrahlung der Spitzenkandidaten befasst.