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Sonntag
21.04.2013

Die Schweizer Bundesbehörden holen sich bei der Gestaltung der Medienpolitik immer wieder den Rat der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Was bringt das? Ist das überhaupt sinnvoll? An der medienwissenschaftlichen Jahrestagung in Winterthur zogen die Forscher kritisch Bilanz. Für den Klein Report berichtet Roger Blum, Publizist und emeritierter Professor für Medienwissenschaft.

Matthias Künzler von der Universität Zürich teilte die publizistikwissenschaftliche Politikberatung in der Schweiz in fünf Phasen ein:

- 1973-1982 gab es kommissionengebundene interdisziplinäre Auftragsforschung: Einzelne Professoren der Publizistikwissenschaft, der Soziologie oder der Ökonomie wurden in Kommissionen berufen, die den Bundesrat medienpolitisch berieten. Ein wichtiges Ergebnis war die Mediengesamtkonzeption der Kommission unter der Leitung von Hans W. Kopp.

- 1982-1989 stand die Evaluationsforschung im Vordergrund. Es galt, die Lokalradioversuche zu begleiten. Diese Begleitforschung leitete der kürzlich verstorbene Zürcher Professor Ulrich Saxer.

- 1993-2006 war die kontinuierliche Antragsforschung ohne direkten Beratungszweck die Devise: Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) unterstützte Forschungsprojekte, die zuerst frei, später im Rahmen von Jahresthemen vergeben wurden. Zahlreiche öffentliche und private Forschungsinstitutionen beteiligten sich.

- Seit 2007 gibt es die kontinuierliche Evaluationsforschung: Das Bakom beauftragt geeignete Forscher mit der Evaluation von Radio- und Fernsehleistungen.

- 2010 wurde eine Reihe von Forschungsprojekten mit direktem Beratungszweck im Zusammenhang mit der Auslegeordnung des Bundesrates zum Zustand der Medien vergeben.

Matthias Künzler zog als Bilanz: Die Forschung ist breiter geworden. Im Laufe der Jahre beteiligten sich zunehmend mehr Institute mit einer zunehmenden Methodenvielfalt. Es gab einen Wandel von der personengebundenen Forschung hin zu Projekten, in denen Teams mitwirkten. Insgesamt sei die Umsetzungsquote hoch: 42 Prozent der Vorschläge aus der Wissenschaft wurden ganz, 17 Prozent teilweise realisiert. Allerdings dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass vor allem jene Vorschläge realisiert wurden, die in der Politik eh schon breite Unterstützung hatten, sagte Künzler. Generell hatten die Vorschläge der Forscher nur eine Wirkung, wenn die Wissenschaft Verbündete fand.

Jost Aregger vom Bundesamt für Kommunikation taxierte die Medienpolitikforschung als Erfolgsgeschichte, die Forscher selber waren skeptischer. Martina Leonarz von der Universität Zürich verwies darauf, dass Politik und Wissenschaft je ihre Eigenlogik und ihre Interessen hätten. Wenn in einem von Politik und Verwaltung vorgezeichneten Rahmen geforscht werde, nehme der Freiheitsgrad der Wissenschaft ab. Forscher, die politisch Einfluss haben, schränken sich ihre Handlungsfreiheit ein, stellte der Zürcher Professor Werner Meier fest. Als Wissenschaftler wolle er nicht Probleme lösen, sondern Probleme benennen. Die Kommunikations- und Medienwissenschaft dürfe sich nicht in die Abhängigkeit mächtiger Interessengruppen begeben, die Medienpolitik komme ohnehin ohne die Forschung aus.

Manuel Puppis, ebenfalls von der Universität Zürich und vom Herbst an Professor an der Universität Fribourg, widersprach. Er konstatierte wegen der Medienkrise und wegen des Medienwandels einen riesigen Bedarf an Forschung. Seiner Ansicht nach ist der Einfluss auf den politischen Prozess eher zu gering. Puppis kritisierte, dass vielen Forschern auch der Wille zur Einflussnahme fehle.