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Samstag
18.11.2023

TV / Radio

Vom Bundesrat im luftleeren Raum verordnet: Dass sich Unternehmen zu «Abgabengruppen» zusammenschliessen können, hat das Parlament nie vorgesehen... (Bild Screenshot Erklärvideo Bakom)

Vom Bundesrat im luftleeren Raum verordnet: Dass sich Unternehmen zu «Abgabengruppen» zusammenschliessen können, hat das Parlament nie vorgesehen... (Bild Screenshot Erklärvideo Bakom)

Nicht nur das Tarifsystem der Radio- und TV-Abgabe für die Unternehmen ist verfassungswidrig. Auch die sogenannte «Unternehmensabgabegruppe» hat das Bundesverfassungsgericht am Freitag als gesetzes- und verfassungswidrig in der Luft zerpflückt.

Bei der Serafe-Abgabe können sich Unternehmen nach geltendem Recht zusammenschliessen und gemeinsam nur eine Abgabe entrichten. Dafür muss die «Unternehmensabgabengruppe», wie das Steuerkonstrukt im Behördenjargon heisst, aus mindestens 30 Unternehmen bestehen. Und sie muss eine «einheitliche Leitung» haben. 

Soweit die geltende Regelung. Dagegen hat ein Unternehmen vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Es war der Meinung, dass die Abgabegruppen «ausnahmslos Grosskonzerne bevorteilen» würden, während KMU «ohne ersichtlichen Grund faktisch nicht in den Genuss dieser Privilegierung kommen» könnten, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Gerichtsurteil hervorgeht.

Es sei nicht nachvollziehar, weshalb die Gründung einer Unternehmensabgabegruppe nicht bereits ab zwei Unternehmen möglich sein soll. Die Festsetzung der Schwelle – 30 Unternehmen – sei willkürlich und ohne ersichtliche sachliche Notwendigkeit vorgenommen worden.

Und die Beschwerdeführerin wurde gegenüber dem St. Galler Gericht sogar noch konkreter: Ihre Hauptkonkurrentin, die eine Abgabegruppe bilden könne, müsse nur einmal die Maximalabgabe entrichten, deren Tochtergesellschaften seien jedoch von der Unternehmensabgabe befreit und würden somit im Wettbewerb grundlos bevorteilt. 

Bezogen auf den Umsatz bezahle die Beschwerdeführerin eine rund 22-fach höhere Abgabe als ihre Hauptkonkurrentin. Bezogen auf die Anzahl von Mitarbeitenden betrage die Abgabe sogar das rund 135-fache und bezogen auf die Lohnprozente rund das 100-fache. 

Geregelt hat die Unternehmensgruppenabgabe der Bundesrat in der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) in Artikel 67c. In seinem dreissigseitigen Urteil kommt das Bundesverwaltungsgericht nun zum Schluss: Der Bundesrat hat die Regelung im luftleeren Raum gemacht.

Denn «weder dem Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) noch der dazugehörenden Botschaft» könne entnommen werden, «dass der Gesetzgeber eine zusätzlich Form der Gruppenbildung vorsehen wollte oder dem Verordnungsgeber mittels Delegationsnorm eine entsprechende Kompetenz eingeräumt hätte». 

Doch nicht nur fehlt der Abgabengruppen der gesetzliche Boden, auch die Verfassung wird gemäss Bundesverwaltungsgericht durch diese bundesrätliche Regelung verletzt. 

Gemäss Bundesrat wurde die Mindestzahl auf 30 Unternehmen festgelegt, um die «Erhebungswirtschaftlichkeit» zu garantieren und gleichzeitig den zu erwartenden Minderertrag in Grenzen zu halten. 

«Diese Argumentation verfängt nicht», stellen die St. Galler Richter klar. So erlaube der Gesetzgeber ja auch bei der Mehrwertsteuer die Bildung von Abgabengruppen, die schon ab zwei Unternehmen gebildet werden können. Diese Gruppen hätten nicht zu einem unerwünscht hohen Vollzugsaufwand geführt, so das Gericht.

Das Konstrukt der «Unternehmensabgabegruppen» sei willkürlich und verstosse damit gegen die Verfassung.

Was zudem auffällt: Von dieser steuerlich vorteilhaften Regelung profitierten nur ganz wenige Unternehmen. So bestanden 2021 nur zwölf dieser Unternehmensabgabegruppen.