Die Medienethik und die darüber wachenden Institutionen waren Thema des Berner Medientags vom Samstag. Referate und Podiumsdiskussion in der Universität Bern führten zur Frage, ob der Produktivitätsdruck Ethik noch zulässt. Als «Nachdenken über Moral» definierte Professor Roger Blum vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern die Ethik. Er wies darauf hin, die Medien lebten mit einem eingebauten Widerspruch: zwischen publizistischen und ökonomischen Zielen, zwischen moralischen und ökonomischen Interessen.
«Es braucht die Ethikinstitutionen unbedingt», meinte Blum. Diese rügten nicht nur Verstösse gegen die Medienethik, sondern verteidigten auch die Pressefreiheit, wenn sie unberechtigte Beschwerden abwiesen. Die Redaktionen müssten Medienethik vermehrt vor der Publikation ins Spiel bringen, aber auch die Blatt- oder Sendekritik danach ausrichten. «Mehr gründlicher statt Fast-Food-Journalismus würde dem Presserat weniger Arbeit bescheren», sagte Blum. Allerdings müssten die Verleger die Bedingungen dafür schaffen: durch mehr Personal sowie Förderung der Ausbildung und des medienethischen Diskurses. «Ethik muss man sich letztlich auch leisten können», brachte es Moderator Roland Jeanneret auf den Punkt.
Martina Rettenmund hat die Stellungnahmen des Schweizer Presserates wissenschaftlich untersucht. Sie stellte fest, dass der Presserat von 1991 bis 2004 43% der Beschwerden gutgeheissen hat, also weniger als die Hälfte. Hingegen hat er beim häufigsten Streitpunkt, dem Persönlichkeitsschutz, zwei Drittel gutgeheissen. Juliette Trechsel hat die schweizerischen Medienombudsleute unter die Lupe genommen. Dabei hat sie festgestellt, dass manche der privaten elektronischen Medien gar keine Ombudsperson haben, obschon sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Und nur 11% wiesen auf ihrer Website auf die Ombudsstelle hin.
Sonntag
13.11.2005