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Samstag
14.07.2012

Bei Regisseur Max Sieber fällt nichts in Wasser, selbst bei der «Titanic» nicht: Der Mann, der jahrzehntelang grosse Abendsendungen beim Schweizer Fernsehen gemacht hat, kann das Fröhlichsein einfach nicht lassen und hat dem Musical «Titanic», das seit Mittwoch im Rahmen der Thunerseespiele aufgeführt wird, ein Happy End verpasst!

«Man kann die Leute doch nicht traurig nach Hause schicken», erklärte Sieber nach der Premiere am Mittwochabend in Thun im Gespräch mit dem Klein Report. «Bisher wurde das Musical immer als Katastrophenstück inszeniert, was ich nicht richtig finde. Bis zum Unfall herrschte auf der Titanic eine Superstimmung. Die 3.-Klasse-Passagiere träumten vom perfekten Amerika, die 1.-Klasse-Passagiere genossen das Premierenfieber. Erst mit der Kollision schwenkte die Stimmung um und wurde zum echten Drama. Den Einbau eines kleinen Happy Ends habe ich mir trotzdem erlaubt. Wesentlich war für mich jedoch auch der Respekt vor den Opfern. Immerhin benutzen wir eine Katastrophe als Vorlage für ein Unterhaltungsformat.»

Jahrelang hatte Sieber in grossen Samstagabendshowreihen mit insgesamt über 130 Folgen («Duell», «Ischtiige bitte», «Grüezi mitenand», «Supertreffer», «Teleboy») das Schweizer TV-Publikum zum Lachen gebracht («Am Abend, wenn die Leute sich entspannen wollen, ist Lachen eine Pflicht»), später in über 100 grossen Samstagabendkisten für ARD, ZDF und RTL auch das deutsche («Stars in der Manege», «Spiel ohne Grenzen», «Melodien für Millionen», «Zum Blauen Bock», «Verstehen Sie Spass»).

Sich an ein Musical zu wagen, das bisher überall scheiterte, war ein Wagnis. Eineinhalb Jahre hat Sieber am Libretto gearbeitet, bis nicht mehr wie in der Broadway-Urfassung die Technik, sondern der Mensch im Mittelpunkt stand; seit Mitte Mai wurde am Thunerseeufer mit über hundert Mitarbeitern geprobt.

Max Sieber: «Die Hauptaufgabe war die Kürzung von 160 auf 120 Minuten. Dieses Problem erwies sich jedoch auch als Chance. In unzähligen Sitzungen mit dem musikalischen Leiter Iwan Wassilevski räumten wir das Stück aus. Das gab Raum für ein wenig Neues, zum Beispiel für ein Schweizer Paar, von denen es einige auf der Titanic gab. Der Verlag akzeptierte grosszügig eine Reihe Korrekturen, was nicht selbstverständlich ist bei amerikanischen Autoren.

1997 war «Titanic» am Broadway uraufgeführt und nach nur neun Monaten zwar mit Auszeichnungen überhäuft (fünf Tony-Awards, darunter der für das «beste Musical»), aber auch wegen mangelnder Publikumsnachfrage abgesetzt worden. In Hamburg war «Titanic» ebenso gefloppt. «Da hat man klar auf die Auseinandersetzung der Menschen mit der Technik gesetzt, ich glaube jedoch, ein solches Drama findet auf der emotionalen Schiene statt», sagt Sieber gegenüber dem Klein Report, «drei Paare aus drei Alterskategorien und drei Klassen stehen im Zentrum, die alle ein unterschiedliches Schicksal haben, und nicht irgendwelche Maschinen.»

2012, das Jahr, in dem sich das Titanic-Unglück zum hundertsten Mal jährt, ist auch für die Thunerseespiele ein Jubiläumsjahr: Das zehnte Jahr in Folge findet eine grosse Musikaufführung statt. Nach Boxoffice-Erfolgen wie «Evita», «Anatevka», «Miss Saigon», «Elisabeth», «Les Misérables», «West Side Story« und «Jesus Christ Superstar» ist «Titanic» nun das erste grosse Wagnis.

Doch Max Sieber konnte seine Geldgeber schon vor der Premiere beruhigen: «80 000 Plätze sind verkauft, wir waren finanziell schon im grünen Bereich, bevor die Titanic zum ersten Mal in den Thunersee stach.»