Was in Branchenkreisen zunächst eher Kopfschütteln verursacht hatte, Martin Walsers Wechsel von Suhrkamp zu Rowohlt, entpuppte sich am Sonntag als weitere herbe Niederlage für den ehemals von Siegfried Unseld geleiteten Verlag an der Frankfurter Lindenstrasse. Wegen «enttäuschender Erfahrungen» mit der Verlagsleitung zieht der Schriftsteller Martin Walser (76) nach 50 Jahren mit seinem gesamten Werk zum Rowohlt Verlag nach Reinbek bei Hamburg um. Erstes Buch dieser neuen Liaeson soll der Roman «Der Augenblick der Liebe» sein, dessen Erscheinen in diesem Sommer erwartet wird. Ihm soll im Frühjahr 2005 die Aufsatzsammlung «Die Verwaltung des Nichts» folgen.
Dass Walser nach ungezählten Büchern den Verlag wechselt, macht auf den ersten Blick wenig Sinn, auf den zweiten aber schon. Denn Walser hat nach eigener Darstellung 1997 mit Unseld eine «schriftliche Vereinbarung» getroffen, wonach er im Fall des Ausscheidens von Unseld als geschäftsführender Gesellschafter des Suhrkamp Verlages die Rechte an seinem Werk zurückfordern kann. «Das habe ich nun getan und ich will natürlich, dass meine Werke komplett künftig bei Rowohlt erscheinen», erklärte Walser am Wochenende.
Nach dem Tod von Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld im Oktober 2002 gelte bei Suhrkamp «nicht mehr literarische Vielstimmigkeit als das oberste Prinzip», sagte Walser. «Zu Zeiten Unselds hatten wir Autoren früher alle Platz.» Bei seinem 2002 erschienenen Roman «Tod eines Kritikers», als Unseld bereits schwer erkrankt war und die Leitung des Verlags nicht mehr wahrnehmen konnte, sei die neue Verlagsleitung gegen «einen von aussen angezettelten Skandal in die Knie gegangen. Das wäre bei Siegfried Unseld niemals passiert», sagte Walser, der mit dem Verleger befreundet war.
In einem vom Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» in seiner neuen Ausgabe abgedruckten Brief macht der Autor auch deutlich, dass «zwei Mitarbeiter», die ihm anno 2002 das Bleiben ermöglichen wollten, jetzt nicht mehr bei Suhrkamp seien. Damit dürfte Walser den ehemaligen Suhrkamp-Verlagsleiter Günter Berg, den Unseld noch ausgewählt hatte, und seinen Lektor Thorsten Ahrend gemeint haben. Beide waren nach internen Machtkämpfen bei Suhrkamp gegangen. Am Freitag wurde zudem bekannt, dass die jahrzehntelange Suhrkamp-Pressechefin Heide Grasnick das Haus «aus familiären Gründen» verlässt.
Sonntag
29.02.2004