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Mittwoch
22.09.2004

In den USA hat ein Mammutprozess gegen die Tabakindustrie begonnen. Die US-Regierung will dabei Strafzahlungen in Höhe von 280 Mrd. Dollar (rund 352 Mrd. Franken) durchsetzen. Branchenunternehmen wird in dem Verfahren vor einem Bundesgericht in Washington vorgeworfen, den Nikotingehalt von Zigaretten manipuliert zu haben, um die Suchtwirkung und damit den Profit zu steigern. Zudem soll die Industrie seit den 50er-Jahren Studien unterdrückt haben, die vor den Gefahren des Rauchens warnen. Die Regierung fordert deshalb unter Berufung auf ein Mafia-Gesetz Gewinne aus fünf Jahrzehnten zurück, die aus ihrer Sicht zu Unrecht gemacht wurden.

«In diesem Fall dreht sich alles um Betrug, Halbwahrheiten und Täuschungen, die bis zum heutigen Tag fortgesetzt werden», sagte einer der Anwälte der US-Regierung, Frank Marine, zum Auftakt des Verfahrens am Dienstag (Ortszeit). «Warum haben die Angeklagten derart gehandelt? Ganz einfach: Geld.» Der Prozess wird über Monate gehen. Insgesamt sollen 73 000 Beweisstücke in das Verfahren eingebracht und hunderte Zeugen gehört werden. Jede Seite hat zwölf Wochen, um ihre Sicht der Dinge darzustellen. Allein die Beweisaufnahme dürfte laut US-Justizministerium damit bis zum März 2005 dauern.

Zu den Beschuldigten zählen unter anderem die Konzerne Philip Morris USA, RJ Reynolds sowie Brown and Williamson, eine Tochter von British American Tobacco. Diese und andere Unternehmen hätten seit 50 Jahren eine massive Täuschung der Öffentlichkeit betrieben, heisst es in der Klageschrift.

Zurückverfolgt haben die Kläger Absprachen bis ins Jahr 1953. Damals sollen fünf führende Zigarettenhersteller im Plaza Hotel in New York vereinbart haben, «gemeinsam eine PR-Kampagne zu führen, um den wachsenden Beweise für eine Verbindung zwischen dem Rauchen und schweren Krankheiten zu begegnen».

Die 35 Regierungsanwälte, die 5 Jahre und 135 Mio. Dollar brauchten, um den Fall vorzubereiten, werfen den Konzernen auch vor, für Zigaretten mit wenig Teer mit dem Argument geworben zu haben, diese seien gesünder, obwohl sie gewusst hätten, das dies nicht stimme. Zudem sollen gezielt Jugendliche durch milliardenschwere Werbekampagnen zum Rauchen verleitet worden sein.