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Dienstag
15.05.2012

«Solange das Paradies auf Erden nicht Wirklichkeit ist, haben wir Karikaturisten Arbeit und Brot.» Magi Wechsler, die bekannteste ihrer Zunft, die ihren Beruf nun schon ein halbes Jahrhundert ausübt, ist heute so ausgebucht wie eh und je. Waren es früher der «Nebelspalter», «Annabelle», «Brigitte» und die «Weltwoche», für welche sie jede Woche zeichnete, so hat sie sich in letzter Zeit als Conference Cartoonist neu erfunden.

Sprich: je trockener das Thema, über welches referiert wird, desto willkommener sind auflockernde Zeichnungen, die es mit ein paar träfen Strichen auf den Punkt bringen. Dafür sitzt sie dann bis zu drei Tage in einer Konferenz und streut spontan zum Referat passende Karikaturen ein. Später gibts dann zusätzlich eine reich illustrierte «Post Conference Publication».

Medienrechtler und Kunstsammler Peter Nobel war vor 30 Jahren der Erste gewesen, der die Nützlichkeit von witzigen Zeichnungen zur Auflockerung einer trockenen Materie erkannt hatte, und genau so lange illustriert Magi Wechsler jetzt die Publikationen des bekanntesten Schweizer Medienanwalts.

Kein Wunder, hat Wechsler auch Nobel selbst immer wieder karikiert, genauso wie viele andere Prominente, die sich zum Geburtstag oder Berufsjubiläum eine Karikatur der eigenen Person wünschen. So etwa wollte sich Bundesrätin Ruth Dreifuss gerne als Clown sehen, «ça correspond pas mal a mes activités ...».

Wichtig erscheint ihr, dass Karikaturisten nicht nur die Wirklichkeit aus ganz eigenem Blickwinkel zeigen, sondern oftmals auch viel früher als andere erahnen, was kommen wird: «Ich zeichne, seit es den ersten Apple gab, nur mehr direkt in den Computer und habe schon 1984 auf einer Karikatur vorausgesagt, dass der Computer unser Leben total verändern würde. Chefredaktor Franz Mälzer hats zwar auf das Titelblatt genommen, doch so recht glauben wollte er mir damals trotzdem nicht.»

Im Auftrag ihres langjährigen Nachbarn an der Zürcher Winkelwiese, Crossair-Gründer Moritz Suter, zeichnete Magi Wechsler jahrelang nicht nur für die Bordzeitung «Crosstalk», sondern führte mit ihm auch intensive Gespräche über die Luftfahrt. «Und auf meiner Karikatur des TWA-Groundings ist auch bereits das spätere Swissair-Grounding vorgezeichnet.»

Wechsler hat sich als studierte Kunstwissenschaftlerin auch intensiv mit der Theorie des Witzes auseinandergesetzt und beruft sich gerne sowohl auf Goethe wie auf Freud: «Goethe sagte, dass sich erst in der Beschränkung der Meister zeigt, und Freud hat als Erster erkannt, dass nicht nur der Sex, sondern auch der Witz im Unbewussten fusst.»

Ist die Karikatur deshalb eine Männerdomäne geblieben? Wechsler weiss es auch nicht, «aber Männer mögen das total Reduzierte, während Frauen lieber ins Detail gehen und ganze Storys, also Comics, zeichnen.» Sie bleibt vorläufig noch bei der Karikatur, «Kinderbücher kommen dann, wenn ich ganz alt bin.»