Die Jury der Sprachkritischen Aktion, die seit 1991 das Unwort des Jahres wählt, hat sich in diesem Jahr für «Lügenpresse» ausgesprochen. Der Begriff sei bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff gewesen und habe auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien gedient, heisst es in der Begründung.
«Gerade die Tatsache, dass diese sprachgeschichtliche Aufladung des Ausdrucks einem Grossteil derjenigen, die ihn seit dem letzten Jahr als `besorgte Bürger` skandieren und auf Transparenten tragen, nicht bewusst sein dürfte, macht ihn zu einem besonders perfiden Mittel derjenigen, die ihn gezielt einsetzen», so die Jury weiter.
Mit dem Ausdruck «Lügenpresse» würden Medien pauschal diffamiert, weil sich die grosse Mehrheit ihrer Vertreter bemühe, der gezielt geschürten Angst vor einer vermeintlichen «Islamisierung des Abendlandes» eine sachliche Darstellung gesellschaftspolitischer Themen und differenzierte Sichtweisen entgegenzusetzen.
«Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit, deren akute Bedrohung durch Extremismus gerade in diesen Tagen unübersehbar geworden ist», argumentiert die Jury.
Zwei Rügen sprach die Jury für die Ausdrücke «Erweiterte Verhörmethoden» und «Russland-Versteher» aus. Ersterer sei ein «dramatisch verharmlosenden Terminus technicus» und ein Euphemismus, der unmenschliches Handeln, nämlich Folter, legitimieren solle.
Beim zweiten Begriff kritisiert die Jury, dass das positive Wort «verstehen» diffamierend verwendet werde. Das Bemühen, fremde Gesellschaften und Kulturen zu verstehen, sollte aber Grundlage einer jeden Aussenpolitik sein, weil die Alternative nur Hass sein könne.