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Montag
22.11.2010

In diesem Spätsommer/Herbst 2010 setzt der Schweizer Spielfilm deutliche Marken - angefangen beim horrenden Bergdrama «Sennentuntschi» über Marco Rimas Komödie «Liebling, lass uns scheiden» (Kinostart: 2. Dezember) bis zu Lorenz Keisers Satire «Länger leben» (Start: 25. November). Die schwarze Komödie um Lebenslust und -frust, Organhandel, rüstige Senioren und Liebe bietet bissige Dialoge und komische Konstellationen, getragen vom Duo Mathias Gnädinger und Nikolaus Paryla. Der Film wurde übrigens von der Subventionsküche Schweiz, sprich der eidgenössischen Filmförderung, ebenso wenig goutiert wie vom Schweizer Fernsehen und nicht unterstützt. Rolf Breiner, Filmexperte des Klein Reports, sprach mit dem Kabarettisten, Autor, Regisseur und Darsteller Lorenz Keiser.

Klein Report: Immer wieder zieht es Bühnenkünstler vor die Kamera. Bei Ihnen hat es 50 Jahre gedauert, bis Sie einen Kinofilm realisiert haben. Was hat Sie dazu getrieben?
Lorenz Keiser: Ich fand es faszinierend. Warum man etwas will, weiss man ja nie genau. Ich weiss, Kabarettisten und Stand-up-Comedians wollen Filme machen - von Woody Allen bis John Cleese. Warum ist das so? Irgendwie ist man auf der Bühne auf sich selber reduziert und alles findet im Kopf der Zuschauer statt. Irgendwann hat man das Bedürfnis, alles zur Verfügung zu haben: Schauspieler, die reale Welt, alle Drehorte, um die eigene Fantasie wirklich umzusetzen.

Und wie ist das bei ihrem ersten Kinofilm gegangen?
Keiser: Wir hatten ein absolut gutes Teamverhältnis. Und diesbezüglich war der Mangel an Geld zuträglich. Je kleiner das Team, desto enthusiastischer sind alle bei einer solchen Kamikazeproduktion dabei. Alle zogen nicht nur am selben Strick, sondern hängten am gleichen Seil.

Was hat Sie denn bewogen, neben der Regie auch noch eine wichtige Rolle zu übernehmen, nämlich die des eher unsympathischen Arztes und Divaverehrers Dr. Egon Schöllkopf?
Keiser: Ich habe mir diese Rolle nicht auf den Leib geschrieben und beim Drehbuchschreiben nicht an mich gedacht. Meine Produzenten Bernard Lang und Adriano Viganò haben mich dazu gedrängt.

Ihr Film spricht ganz verschiedene Themen an, die von Dualität geprägt sind. Das fängt schon mit den Hauptfiguren an, einem griesgrämigem Zeitgenossen und ein Gegenspieler, der sich nimmt, was er kriegen kann, und das ganz wörtlich. Der alte Mann klaut aus Passion. Wie kam es zu diesem Mix?
Keiser: Die Grundidee war die einer Duellsituation: Du gibst mir deins oder ich geb dir meins - und nur einer kann überleben. Die Idee führt zu existenziellen Gedanken über Lebenslust und -frust und mehr. Ich finde es interessant, viele verschiedene Geschichten zu erzählen, die viele Aspekte des Lebens ansprechen.

Die Besetzung ist vortrefflich und vom Feinsten, vom Urgestein Mathias Gnädinger und dem Österreicher Nikolaus Paryla über Laura de Weck, der Tochter des SRG-Chefs Roger de Weck, bis zu ihrer Mutter Margrit Läubli in der Seniorengang. Ihr Verdienst?
Keiser: Das grösste Verdienst kommt dabei Langfilm zu, einer Kinoproduktionsfirma, die seit vielen, vielen Jahren gute Filme macht.

So gesehen, waren Sie in guten Händen?
Keiser: Ja, ich war in sehr guten Händen.

Ich möchte nochmals auf den Kern Ihres Films «Länger leben» kommen. Es geht unter anderem um verlängertes Leben. Welches Verhältnis haben Sie zu dieser Frage?
Keiser: Wir sind aufgrund der Möglichkeiten hoch technisierter Medizin so weit, dass wir Entscheidungen treffen müssen und nicht alles einer Maschine überlassen können. Es gibt viele Entscheidungen und die Frage: Wann wird die Verlängerung des Lebens zum Leiden - sowohl für den Betroffenen als auch für die Leute ringsum?

Ihr Film propagiert doch Lebenslust oder …?
Keiser: Absolut. Es ist ein heiterer, positiv lebensbejahender Film. Im tieferen Sinn geht es nicht um die Frage, leb ich etwas länger oder kürzer, sondern darum: Hab ich einen Freund gefunden, was ist mir das wert, was bin ich bereit, dafür zu investieren und zu geben?

Und er spielt mit Klischees …
Keiser: Natürlich, auf allen Ebenen. Es ist ein Spiel mit filmischen Klischees, eine Parodie auf Duellsituationen, auf die Gesellschaft, auf Cinemascope, auf Product Placement usw.

Welche Chancen räumen Sie Ihrem Film in der Schweizer Kinolandschaft ein?
Keiser: Grundsätzlich räume ich ihm die allerbesten Chancen ein. Ich glaube an ihn, mir gefällt er und ich bin mehr als hundert Prozent mit der Arbeit zufrieden. Das ist das eine. Zum anderen gehört immer eine grosse Portion Glück und Zufall dazu. Es spielen immer feinstoffliche zufällige Faktoren mit, die nicht zu beeinflussen sind.

3D ist zurzeit der Hit im Kino. Interessiert Sie das?
Keiser: 3D hat konkret stattgefunden, um dem illegalen Downloaden etwas entgegenzusetzen. Wir haben viele Witze darüber gemacht und gesagt: Wir machen «Länger leben» in 3D. Wir geben allen Zuschauern eine Brille, und am Anfang gibts eine Einstellung: Ein älteres Ehepaar schaut Fernsehen - und die Einstellung ist in 3D - und der ganze Film läuft im Fernsehen - normal.

Von der Leinwand wieder auf die Bühne. Ihr siebtes Soloprogramm startet am 12. Januar im Theater Seefeld, Zürich. Worum gehts in «Big Bang»?
Keiser: Da werden fünf Milliarden Zeitgeschichte in zwei Stunden aufgerollt - beginnend mit dem Big Bang, dem Urknall des Universums, und dann kommt die Frage: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Es ist wie immer: Man braucht einen Vorwand, um über alles zu reden.