Zwanzig Jahre lang war Lilli Gruber das Gesicht des italienischen Staatsfernsehens. Nun ist sie völlig vom Bildschirm verschwunden. «Ich bin wie ausgelöscht. Das italienische Fernsehen hat mich ausgeschaltet», sagt Gruber in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit Spiegel Online. Die Journalistin hat vor einigen Wochen ihren Job hingeworfen und fordert nun Silvio Berlusconi bei den Europawahlen heraus. «Mit dem Journalismus der RAI hadere ich schon seit längerem. Die Hauptnachrichten der RAI hätte ich so oder so nicht mehr moderiert. Weil diese Nachrichten die einfachsten ethischen und professionellen Prinzipien nicht mehr respektieren. Es gibt viel zu viel Manipulation und viel zu viel Zensur von Seiten der Regierung», so Gruber im Interview mit Spiegel Online.
Nach ihrem Wechsel in die Politik befragt, meint sie, sie sei ja keine Berufspolitikerin, habe auch nie ein Parteibuch besessen. «Ich wollte als Journalistin immer unabhängig sein. Aber ich sehe auch eine gewisse Kontinuität zwischen den beiden Berufen: Ich habe zwanzig Jahre lang im Fernsehen für die Zuschauer gearbeitet. Jetzt werde ich eben im Parlament für die Bürger da sein.» Viele Kollegen hätten sie zwar gefragt, warum sie sich jetzt in der Politik die Hände schmutzig machen wolle. Aber sie weigere sich, die Politik als «eine Art von Niederung anzusehen», so Gruber weiter. Und sie ergänzt mit Blick auf Europa: «Ich empfinde mich als echte Europäerin: Ich bin zweisprachig aufgewachsen, habe einen Franzosen zum Mann, und habe viele Freunde in ganz Europa. Vielleicht kann ich als Südtirolerin den europäischen Geist besser verstehen und verkörpern. Wir müssen alle lernen, über den Gartenzaun zu blicken.» Gruber, die in Italien so bekannt ist wie der Papst, meint zu guter Letzt über ihren Erzfeind Berlusconi: «Das erinnert mich mehr an Kim Il Sung als an eine moderne europäische Demokratie. Er sagte da wieder Sachen, bei denen man sich nur an den Kopf greifen kann.» Siehe auch: Starjournalistin Lilli Gruber geht in die Politik
Dienstag
08.06.2004