Punkt 10.30 Uhr trat Bundesrat Moritz Leuenberger in Bern vor die Medien und gab bekannt, was sowieso schon alle wussten. Von Interesse war deshalb vor allem, wie Leuenberger die einzelnen teils heftig umstrittenen Konzessionsentscheidungen begründen würde.
Nachdem Leuenberger nochmals die Kriterien für die Entscheidungen resümiert hatte, ging er auf die einzelnen Fälle ein. Zuerst behandelte er die Fernsehregion Zürich und Nordostschweiz, wo sich Tele Top bekanntlich gegen Tele Züri hat durchsetzen können. Leuenberger betonte, das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) habe nicht das heutige Programmangebot von TeleZüri und Tele Top als Entscheidungsgrundlage genommen, sondern die Art und Weise, wie die beiden Bewerber künftig den besonderen Service public für die Region erbringen wollten. Hierbei habe sich gezeigt, dass sich beide Bewerbungsdossiers auf sehr hohem Niveau befänden, «vor allem auch im Vergleich mit Bewerbungen aus anderen Landesteilen.» Insgesamt seien beide Bewerbungen gleichwertig. «Beide Bewerber wären zweifellos in der Lage, den Leistungsauftrag zu erfüllen.» Deshalb sei in zweiter Priorität das Kriterium der Meinungs- und Angebotsvielfalt zum Zug gekommen. So habe Tele Top den Vorzug erhalten vor TeleZüri, das bekanntlich zu Tamedia gehört.
Leuenberger betonte, dass TeleZüri auch ohne Konzession - sprich Gebührengelder - weiter senden und expandieren könne. Da die Gebühren ohnehin nur für die Finanzierung der in der Konzession vorgeschriebenen Programmfenster für Schaffhausen und Thurgau ausgerichtet würden, erleide TeleZüri wegen der entgangenen Gebührengelder auch keine finanziellen Einbussen. In der Folge geriet Leuenberger gar in Versuchung, die Nichtkonzessionierung als Vorteil für TeleZüri zu interpretieren: Ohne Konzession müsse der Sender die aufwendigen Programmfenster für die Kantone Schaffhausen und Thurgau nicht produzieren und sei auch nicht an die Verbreitungsbeschränkungen gebunden, die mit der Konzession einhergingen. «Stattdessen darf TeleZüri nun sein Verbreitungsgebiet selber bestimmen und über sein bisheriges Gebiet hinaus senden.»
Er habe, so Leuenberger weiter, viel Post bekommen von Leuten, die befürchteten, TeleZüri in ihrer Region zukünftig nicht mehr empfangen zu können. Diese Sorgen seien unbegründet: Das Bakom habe sich eigens bei der Cablecom erkundigt, und der Netzwerkbetreiber wolle den Sender aufgeschaltet lassen. Falls die Cablecom TeleZüri gar vom Netz nehmen wolle, könne der Bundesrat dies durch eine Verfügung verhindern.
Der Entscheid bedeute, dass der Grossraum Zürich, als einziges Gebiet in der Schweiz, in den Genuss von zwei professionell aufgemachten Regionalfernsehprogrammen und der damit verbundenen Vielfalt komme. Dies entspreche auch dem Wunsch des Zürcher Regierungsrates.
Nachdem Leuenberger bei der Fernsehregion Zürich und Nordostschweiz noch beide Bewerbungen ausdrücklich gelobt hatte, sprach er beim Innerschweizer TV-Markt deutliche Worte: Das zur NZZ-Gruppe gehörende Tele 1 erfülle die Kritierien des Bakom «wesentlich überzeugender» als die Mitbewerberin Tele Tell von der AZ Medien Gruppe. Tele 1 habe bei der Qualität einen «deutlichen Vorsprung». Weil Tele Tell personell mit dem zum gleichen Verlagshaus gehörenden Sender Tele M, der eine Konzession erhalten hat, verknüpft ist, geht Leuenberger davon aus, dass bei Tele Tell keine Stellen abgebaut werden müssen.
Im heftig umkämpften Gebiet Zürich Glarus hätten Radio 24 und Radio Zürisee die besten Bewerbungsdossiers eingereicht, führte Leuenberger weiter aus. Für die dritte Konzession in dieser Region sei die Bewerbung der Music First Network AG nicht mehr in Frage gekommen, weil Letztgenannte bereits zwei Konzessionen erhalten habe (Jugendradio Music First sowie RMC Züri) und gemäss RTVG kein Unternehmen mehr als zwei Radio-Konzessionen halten darf. Die verbleibenden Radio Energy und Radio 1 hätten im Ergebnis beinahe gleichauf gelegen. Radio Energy sei bei den Produktionsbedingungen (Input) besser, Radio 1 bei der Programmgestaltung (Output). Letztlich habe Radio1 wegen der grösseren Kohärenz und Glaubwürdigkeit die Nase vorn gehabt. Zudem sei die öffentliche Unterstützung bei der Anhöhrung bei Radio1 stärker gewesen. Leuenberger wies zudem darauf hin, dass bei einer gleich starken Bewerbung der beiden Sender ebenfalls Radio1 den Zuschlag erhalten hätte, weil Radio Energy zu Ringier gehöre.
Im Aargau hingegen sei der Sender Argovia der AZ Medien «qualitativ besser» als Schawinskis Radio1, begründete Leuenberger kurz den Entscheid in dieser Region.
In der Romandie hätten die bestehenden Stationen Radio Lac, Rouge FM und Lausanne FM die besten Bewerbungen eingereicht, führte Leuenberger weiter aus, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: «Während Radio Lac und Rouge FM in ihren Bewerbungsdossiers überzeugende Informationsleistungen in Aussicht stellen, schneidet Lausanne FM bei den Arbeitsbedingungen und im Bereich der Aus- und Weiterbildung besser ab.» Die Bewerbung von One FM sei im Input-Bereich zwar ebenso gut wie jene von Lausanne FM. Sie sei aber im Output-Bereich deutlich schlechter als die Bewerbungen ihrer Konkurrentinnen. Das stark auf Unterhaltung ausgerichtete Format von One FM enthalte kaum Informationsleistungen, wie sie in der Ausschreibung gefordert wurden. Verdrängt wird One FM von Buzz FM. «Diese Bewerberin unterbreitete ein innovatives Programmkonzept, das deutlich auf Informationssendungen fokussiert.»
Samstag
01.11.2008