Der langjährige Chefredaktor der französischen Tageszeitung «Le Monde» hat in den letzten Jahren erfahren müssen, dass angesichts der Dauerkrise in der überregionalen französischen Tagespresse selbst für Frankreichs angesehenstes Blatt die Welt ungemütlich geworden ist. Man wird Edwy Plenel die Begründung abkaufen, dass er sich deshalb von Mitte Dezember an wieder «den einfachen Freuden des Journalismus und des Schreibens» widmen wolle, wie die «Welt» am Mittwoch schreibt.
Wehmütig erinnern sich viele «Monde»-Leser der Zeiten, als ihr Leib- und Magenblatt und auch Starjournalist Plenel für einen Journalismus standen, wie ihn der Gründer Hubert Beuve-Méry vor fast 60 Jahren formulierte: «Unser Ehrgeiz ist es, dem Leser klare, wahre und so weit wie möglich schnelle und umfassende Informationen zukommen zu lassen.»
Vor allem innenpolitisch ist «Le Monde» in den letzten Jahren auffallend häufig von diesem Grundsatz abgewichen, indem es sich als Kampfblatt der Linken gegen den konservativen Präsidenten Jacques Chirac ins Zeug gelegt hat. Der Ruf als unvoreingenommenes Presseorgan hat darüber hinaus gelitten, als im letzten Jahr in einer Buchveröffentlichung das «verborgene Gesicht» der Zeitung enthüllt wurde. Die in dem Bestseller enthaltenen Vorwürfe der Selbstzensur und Manipulation von Nachrichten vermochte das Blatt nicht wirklich zu entkräften. Und so zog es seine Verleumdungsklage gegen die beiden Autoren Pierre Péan und Philippe Cohen zurück.
Weniger schwer als diese moralische Niederlage wiegt die Tatsache, dass «Le Monde» auch wirtschaftlich angeschlagen ist. Das Blatt hat im letzten Jahr 4,26% an Auflage eingebüsst (jetzt: 338 000) - offenbar eine direkte Folge der Buchveröffentlichung - sowie einen Rückgang von 9,5% an Inseraten und 2003 ein Defizit von 25 Mio. Euro hinnehmen müssen. Angesichts des auf 80 Mio. Euro angewachsenen Schuldenbergs werden demnächst 90 von 744 Mitarbeitenden ihren Platz räumen. «Freiwillig», heisst es.
Jean-Marie Colombani, der aus Korsika stammende Herausgeber und eigentliche Chef der «Monde»-Redaktion, bedauert, dass Plenel nach 10 Jahren «unzertrennlicher» Zusammenarbeit von seinem Rücktritt nicht abzubringen war. Plenel hatte seiner Zeitung 1985 eine aufsehenerregende Exklusivstory über die Sprengung des Greenpeace-Schiffes Rainbow Warrior durch den französischen Geheimdienst verschafft und wurde auf persönliche Anordnung des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand Opfer eines Lauschangriffs durch eine Geheimdienstzelle des Präsidenten. Der Prozess gegen die Lauscher hat gerade begonnen. Andererseits war Plenel umstritten. Er pflegte seine Redaktion mit harter Hand zu führen.
Mittwoch
01.12.2004